„Einfach weil es lustiger war“. Das war die Antwort der Producerin der BBC Radio 1 Morgenshow auf folgende Frage ihres Hosts auf einem Panel bei den RDE ´24 in München: „Es gab absolut, absolut keinen Grund, das Finale des Stunts auf dem Wasser zu machen statt an Land… Warum musste ich das tun?“
Das Team ist die extra Meile gegangen, um zu einem spektakulären Stunt die NOCH lustigere Umsetzung zu finden. https://www.bbc.co.uk/programmes/articles/16MSksBj8jyRfQD8Yfnsqh0/heres-what-happened-when-radio-1-listeners-helped-greg-james-solve-a-giant-jigsaw-puzzle
Die Extra-Meile gehen, die unterhaltsamere Form der Umsetzung suchen, das Tüpfelchen auf dem i… das ist die Aufgabe in Sachen Content in Zeiten von TikTok und einer Aufmerksamkeitsspanne, die beim Menschen mit 8 Sekunden kürzer ist als bei einem Goldfisch (9 Sekunden…).
Die Zeiten von Experten-O-Tönen und Interviews als Standardform der Themenumsetzung sind bei britischen und amerikanischen Sendern längst vorbei. Der deutschsprachige Raum hält immer noch daran fest… dabei gibt es mindestens 20 verschiedene, unterhaltsame Formen der Themenumsetzung. Die ersten 10 findest du hier.
Charaktere: Toll, wenn eine Show über Charaktere bzw. Figuren verfügt, die aktuelle Themen auf eine andere Art und aus einem anderen Blickwinkel aufgreifen können, wie z. B. die echte (!) Oma der Anchor-Woman (Energy Österreich) oder der echte Taxifahrer aus der Nachbarstadt Fürth, der viele Jahre bei Hitradio N1 aus Nürnberg seinen „Dialekt-Senf“ zu polarisierenden Themen gegeben hat. Erweitere den Cast um solche Charaktere. Das kann auch je nach Thema jemand aus dem Sender-Team sein. Z.B. der Kollege, der über alle Computerspiele auf dem Laufenden ist.
Meldung mit Punchline: Eine kurze aktuelle Geschichte endet mit einem witzigen Ausstieg. Eine schöne Variante, wenn Meldung und Gag individuell sind, also zum Charakter des Moderators passen bzw. auf ihn zugeschnitten getextet sind. Nicht so schön, wenn es Gags „von der Stange“ nach dem Motto „one fits all“ sind…
Benchmark: Feste Serien sind perfekt, um aktuelle (bunte) Themen unkompliziert in die Show zu hieven. Das können Comedy-Serien sein (siehe oben „Charakter“) oder Content-Serien wie Lifehacks, die z.B. tagesaktuelle oder saisonale Themen aufgreifen.
Abstimmung: Es gibt mittlerweile tolle Tools, um auf dem Social Media Account des Senders Pro- und Contra-Befragungen durchzuführen. Hieraus lässt sich eine Menge machen – vom „offiziellen Endergebnis“ am nächsten Morgen inkl. Nachrichtenmeldung, die sich über den Tag zieht, bis zu einer Pressemitteilung für andere lokale Medien.
Call In: Natürlich ein Standard-Tool. Aber als eine von mehr als 20 Umsetzungs-Varianten EINE Idee, die gut klingen kann, wenn sie nicht überstrapaziert wird. Da diese Variante von den O-Tönen der Befragten lebt, nur dann einzusetzen, wenn die Töne entsprechend viel hergeben.
Straßen-O-Töne: Eigentlichein überstrapazierter Klassiker. Kreativ gestaltet aber ein echter Hinhörer. Beispiel: Statt Kinder zu fragen, was sie sich vom Nikolaus wünschen, könnte man fragen, auf welche Streiche sie verzichtet haben, damit die Geschenke üppig ausfallen. Der Trick ist hier, ins Gegenteil zu denken und so mit unkonventionellen Fragen interessante O-Töne zu bekommen. Oder: ein kreativer Mitarbeiter kommt auf der Straße mit den Befragten in ein unterhaltsames Gespräch. Oder: der Show-Anchor hat – wie Hans Blomberg (bis Ende 2023 Nachmittags-Host bei 104.6 RTL) immer eine Aufnahmemöglichkeit „am Mann“ (dank Smartphone für jeden Radiomacher umsetzbar!) und nimmt auf dem Weg von Zuhause in den Sender schon unterhaltsame O-Töne zum Tag, zur Tagesbefindlichkeit oder zu einem witzigen Thema mit.
Dialog/ Crewtalk: Fast jedes Thema ist in einer mit mehreren Personen besetzten Morgensendung leicht über einen Dialog oder Crewtalk umsetzbar. Am besten mit unterschiedlichen Sichtweisen und Meinungen. Diese einfache Variante hat den Vorteil, dass sie große Teile der Zielgruppe widerspiegeln kann. Das Wichtigste hierbei ist der Schluss des Themas. Auch für diesen gibt es wieder verschiedene Varianten: Aufruf zur Abstimmung zum Thema, Lebensweisheit als „rosa Schleife“ oder ein Weiterdreh des Themas mit Hörerstimmen, u.v.m.
Kinderstimmen: Kleine Kinder im Kindergartenalter haben sooo viel Fantasie… nutzen wir diese lustigen O-Töne zu verschiedenen Themen für das Radioprogramm.
Hörertipps: Gib eine persönliche Frage nach „draußen“, frage die Community – z.B. bei der Suche nach einem Erziehungstipp für die pubertierende Tochter, die mit dem Smartphone verwachsen ist…
Social Media: Die sozialen Medien sind ein super Tool, um erste Hörer-Stimmen, -Geschichten oder -Meinungen zu Themen zu bekommen und diese als Kick-Off für den On-Air-Teil des Themas zu nehmen.
Influencer: Mittlerweile gibt es zu jedem Thema einen Influencer auf Insta oder einen youtube-Kanal. Erfolgreiche Influencer können in der Regel gut präsentieren und kommen zum Punkt. 2024 müssen wir unsere Hörer nicht mehr mit Experten-O-Tönen oder Interviews quälen.
Das waren meine 21 „schnellen“ Umsetzungsvarianten. Du kennst sicher noch viel mehr. Lass mich gerne wissen, was ich vergessen habe…
Ach ja – wichtig für das Content-Management on Air sind vor allem zwei Dinge:
Erstens den Hörer in seiner Lebenswelt zu erwischen und ihm damit Punkte zum Andocken zu liefern und zweitens dabei immer wieder neue Formen auszuprobieren – damit die Wortbeiträge eines nie werden: langweilig und zum Abschalten …
Viel Spaß dabei.
Deine Yvonne
Yvonne Malak
Das Moderationshandbuch: Alles, was Radio-Profis wissen müssen
201 Seiten
ISBN 3848782723
39,00 € Nomos
Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. November 2024.
Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/