Momentan schaut Europa entgeistert auf die Medienreform in Polen. Die rechtskonservative Regierung will die Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks künftig direkt bestimmen und den Rundfunkrat als Kontrollgremium entmachten. Kritiker sehen einen massiven Eingriff in die Unabhängigkeit der Berichterstattung.
Wie unabhängig Europas öffentlich-rechtliche Sender sind, ist dabei durchaus diskutabel. Stichwort: Italien während den Berlusconi-Jahren. Die britische konservative Regierung Cameron schießt sich seit ihrem Wahlsieg im vergangenen Jahr weiter munter auf die BBC ein, auch in Frankreich ist es mit der Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Medien so eine Sache. Das relativiert die Vorgänge in Polen nicht, sondern zeigt, dass auch in anderen EU-Staaten nicht alles in bester Ordnung ist. Gemeinsame Standards, an die sich die Mitglieder verbindlich halten müssten, wären bitter nötig.
Relativ unbemerkt hat vor allem Spaniens konservative Regierung unter Ministerpräsident Rajoy den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die Kette gelegt. Seine Regierung kassierte 2012 kurz nach ihrem Antritt die Medienreform ihrer Vorgänger. Die Sozialisten hatten 2006 mit der Unsitte Schluss gemacht, dass die Regierungspartei in Spanien den Intendanten des öffentlich-rechtliche RTVE mit einfacher Parlamentsmehrheit bestimmen konnte. Für die Intendantenwahl war stattdessen nun eine Zweidrittelmehrheit nötig, Regierung und Opposition mussten also einen gemeinsamen Kandidaten finden. Die Konservativen sorgten für die komplette Rolle rückwärts.
Die kritische Begleitung der Regierung durch den öffentlich-rechtlichen Sender bleibt dabei auf der Strecke und das RTVE-Programm verkommt immer mehr zur Hofberichterstattung. Die linke Protestpartei Podemos findet kaum statt, auch Kataloniens Unabhängigkeitsbewegung bekommt wenig Platz eingeräumt. Das Spaniens Konservative keine großen Freunde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind, zeigten sie schon in den Regionen – in Valencia schlossen sie 2013 die regionale Sendeanstalt ganz, in Madrid musste ein Großteil der Mitarbeiter gehen.
Im Rundfunkrat von RTVE, dem Kontrollgremium, sitzen zudem nur Politiker und er untersteht dem Medienministerium. Unabhängig sieht anders aus. Kritik von der Europäischen Union mussten sich die Spanier kaum anhören. Nicht geschadet dürfte dabei haben, dass die regierende Volkspartei gemeinsam mit CDU/CSU in der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament sitzt.
Auch am größten privaten Akteur in Spanien, der Mediengruppe PRISA, häuft sich Kritik. Es gibt es immer wieder Berichte von Journalisten, dass die unabhängige Berichterstattung nicht immer uneingeschränkt möglich ist. Die hochverschuldete PRISA gehört mittlerweile zahlreichen Gesellschaftern – neben der Gründerfamilie sind das diverse Hedgefonds, spanische Großbanken, eine katarische Investmentgruppe, ein mexikanischer Unternehmer und der spanischen Telekommunikationsriese Telefónica, der zum Jahresende bekanntgab seine Anteile weiter erhöhen zu wollen. Wie die „New York Times“ berichtet, wurden in PRISA-Zeitungen wie „El Pais“ Artikel, die sich kritisch mit Telefónica oder Katar auseinandersetzten, intern abgeschwächt oder geändert. Spaniens Medienunternehmen haben sich während den Boomjahren im Expansionsrausch hoch verschuldet und ächzen nun unter der hohen Schuldenlast.
PRISA ist eine der führenden Radiogruppen Spaniens – zu ihr zählen Cadena SER, Maxima FM, M80 Radio, Radiolé, Cadena Dial, Ke Buena Madrid 103,9 und Los 40 Principales. Das katalanische Ona FM hat PRISA hingegen 2015 eingestellt, seit 2012 war es allerdings nur noch ein Dauermusikformat. Ona FM wurde am 26. Februar 2015 durch Cadena SER Catalunya, die katalanischsprachige Variante von Cadena SER, ersetzt.
Die Gruppe ist auch im Nachbarland Portugal und in zahlreichen Ländern Lateinamerikas von Mexiko bis Chile aktiv.