Yvonne Malak: Die optimale Ansprechhaltung

Moderieren heißt, so zu sprechen, wie die (Mehrheit der) Menschen, die einem zuhören. Z.B. wie mit der Kollegin am Schreibtisch nebenan: in einem „normalen“ Tempo und einer angenehmen Sprechlautstärke.

Tempo, Lautstärke und Ansprechhaltung hört man aber leider gerne auch mal in extremen Ausprägungen… Zu laut und zu schnell ist oft ein Problem bei CHR oder Urban CHR Formaten. Eine zu alt klingende, „tantige“, „trutschige“ Ansprache dagegen kommt leider oft in Oldie-Sendern vor: vor allem junge Moderatoren haben eine falsche Vorstellung von vermeintlich „älteren Hörern“.

Klar, für einen 25-jährigen ist ein 50jähriger steinalt. Aber lieber 25-jähriger Moderator: der 50-jährige identifiziert sich sicher nicht mit einer Ansprechhaltung für Hochbetagte… Altbackene, „tantige“ Ansprachen, eine langsame Sprechweise wie mit einem Kleinkind, dem Dinge noch ganz langsam erklärt werden müssen, tun nur eines in einem konservativen AC-Format: sie schaden!

Denn: Erwachsene fühlen sich im Schnitt 13 Jahre jünger als ihr Pass zeigt, sagt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/man-ist-nicht-so-alt-wie-man-sich-fuehlt/

Wer also 50 ist, fühlt sich wie maximal 37… Wer 60 ist, wie maximal 47. Und selbst ein 70-jähriger fühlt sich, als wäre er 57. Passe also deine Ansprache an – auch bei scheinbar älteren Formaten. Denn kein 50-jähriger mag sich in einem Hochbetagten spiegeln – der Mitte 30jährige ist ihm oder ihr näher als der 85jährige…

Interessant ist auch, dass jüngere Menschen und Moderatoren „alt“ bzw. „höheres Alter“ anders sehen, als etwas ältere, z.B. über 40-jährige! Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsoge (DIA), finden

die unter 40-Jährigen (…), dass man ab 60 Jahren zu den „Alten“ zählt. Bei den über 40-Jährigen zählt man erst nach dem 70. Lebensjahr zu den „Alten“.

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Wenn ein Sender als „für Leute, die älter sind als ich“ wahrgenommen wird, dann gilt: das falsche Wort ist genauso schädlich wie ein falscher Song.

Was das beste Sprechtempo und die optimale Lautstärke sind, wurde von einem Team rund um Emma Rodero, Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Pompeu Fabra Universität in Barcelona vor einigen Jahren wissenschaftlich erforscht und belegt.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Niemand will angeschrien werden.
  • Niemand will von Worten überrollt werden (wie es gerade in jungen Formaten oft immer noch zum vermeintlich guten Ton gehört).
  • Eintönigkeit langweilt und führt zum geistigen Abschalten des Hörers.

Hier die Herangehensweise und die wissenschaftlichen Erkenntnisse der genannten Studie:

Den Probanden wurden 48 verschiedene Werbespots in verschiedenen Tempi und Ansprechhaltungen vorgespielt. Untersucht wurden zunächst Herzschlag, Hirnströme, Hauttemperatur und Pupillenbewegung beim Hören und dann die Erinnerung an die Spots.

Ziel war optimale Wohlfühlwerte und ein hoher Aufmerksamkeitsgrad beim Zuhören und anschließend eine gute Erinnerung und des Gehörten bzw. eine adäquate Wiedergabe der Botschaft der Spots.

Die Ergebnisse: Am einprägsamsten waren die Werbespots, die mit Stimmvariation gearbeitet haben(schnell, langsam, unterschiedliche Betonungen). Diese wurden von den Probanden auch als am angenehmsten empfunden! Das gilt auch für Moderationen, die z.B. eine Major Promotion oder eine andere wichtige Botschaft an den Hörer bringen wollen: Variation in der Ansprechhaltung und im Sprechtempo bei einer durchschnittlich idealen Sprechgeschwindigkeit fördern das Verständnis für unsere Message.

Eine zu langsame Sprechweise törnt genauso ab wie eine zu schnelle. Ideal sind für eine optimale Verständlichkeit in Moderation, Nachrichten und Werbung zwischen 170 und 190 Worte pro Minute. Diese Sprechgeschwindigkeit führt dazu, dass die Worte gut verstanden und vor allem auch erinnert werden. Wird langsamer gesprochen, lässt die Aufmerksamkeit nach und damit das Erinnerungsvermögen für das Gehörte. Wird zu schnell gesprochen, ist das Gehirn des Hörers überfordert und es bleibt am Ende gar nichts hängen. Zu langsames Sprechen ist also genauso kontraproduktiv wie zu schnelles.

Mit optimaler Betonung, Variation in der Stimme und einer Sprechgeschwindigkeit zwischen 170 und 190 Worten pro Minute erreichen wir also nicht nur optimale Erinnerungswerte für unsere Botschaften, sondern auch den bestmöglichen Wohlfühlfaktor beim Hörer und damit eine hohe Sympathie für den Moderator und natürlich „seine“ Radiostation.

Warum aber gilt es in jungen CHR-Formaten immer noch als hip, die Hörer anzuschreien oder überdreht in Breaks einzusteigen? Warum überholen sich Moderatoren – eher in jungen, urbanen Formaten – oft selbst beim Sprechen?

So behindern CHR-Sender ihre Wachstumschancen oft durch eine übertrieben jugendliche Ansprache und Ansprechhaltung. Wie oben beschrieben zu hektisch, zu laut, zu schnell. Dabei kommt deren Musik vielleicht auch bei Hörern über 40 gut an. Wenn diese den Sender aber als „Station für Leute, die jünger sind als ich“ wahrnehmen, schadet das dem Potential. Denn falsches Wort ist neben der falschen Musik der gefährlichste Abschaltfaktor. Und wenn ein Hörer dreimal eine schlechte Erfahrung mit einem Sender gemacht hat – in diesem Fall durch eine als unangenehm empfundene Ansprache – wird er dem Sender kaum eine vierte oder gar fünfte Chance geben.

In diesem Sinne: wie so oft im Leben ist der Mittelweg die beste Lösung…

Also, viel Spaß in deinem Format, ob Urban CHR oder Oldie-AC… und denk an den Mittelweg…

Deine
Yvonne Malak

Yvonne Malak
Das Moderationshandbuch: Alles, was Radio-Profis wissen müssen
201 Seiten
ISBN 3848782723
39,00 € Nomos

Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. April 2024.

Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/

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