Als Überbleibsel des britischen Empires stehen noch heute etliche kleine Gebiete in der Welt unter britischer Souveränität. Diese britischen Überseegebiete sind im Gegensatz zu vielen ihrer französischen Pendants kein Teil der Europäischen Union. Auch wenn das künftig keine Rolle mehr spielt. Das Mutterland hat sich bekanntlich dafür entschieden, ihnen in diesem Punkt nachzufolgen und sich aus der europäischen Staatengemeinschaft zu verabschieden. Was die Medien anbelangt, gewährt Großbritannien seinen Außengebieten weitgehende innere Autonomie. Dort laufen also mit der Ausnahme des World Service keine BBC-Programme. Die Lokalregierungen können eigene Sendeanstalten aufbauen und Privatradiolizenzen vergeben. Es gelten aber gewisse Grundsätze, die London vorgibt, wie die Garantierung der Pressefreiheit.
St. Helena ist so ein fast vergessener Rest des britischen Weltreichs. Mitten im Atlantik gelegen, irgendwo zwischen Afrika und Südamerika. 1859 km sind es bis zum Ölland Angola, 3286 km zur südamerikanischen Küste. So weit abseits von allem, dass die Briten einst Napoleon nach seiner Niederlage von Waterloo hierher verbannten, wo der französische Kaiser 1821 fern der Heimat auch verstarb. Es blieb ein gern genutzter Verbannungsort des Empires, an den die Kolonialmacht allerlei ihr unliebsam gewordene Personen abschob – einen südafrikanischen Zulu-König, den Sultan von Sansibar oder einen Buren-General. Erste Kolonialherren auf der Insel waren die Portugiesen, ihnen folgten die Niederländer, ehe 1659 die britische Ostindien-Kompagnie ihre Herrschaft für die kommende Jahrhunderte antrat. Die Insel bildet noch heute gemeinsam mit den beiden weiteren Atlantik-Inseln Ascension und Tristan da Cunha ein britisches Überseegebiet. Dort leben rund 5.600 Menschen, davon 4.500 auf St. Helena. Weltweite Schlagzeilen machte St. Helena im letzten Sommer. Die Berliner und die Insulaner teilen nämlich ein Problem – ihre krisengeplagten neuen Flughäfen. Der Airport auf St. Helena sollte eine altersschwache Fähre als Hauptversorgungsader der Insel ablösen. Die Baudauer war nicht das Problem, der reguläre Flugbetrieb konnte aber trotzdem bisher noch nicht aufgenommen werden, obwohl der Flughafen bereits Mitte 2016 eingeweiht wurde. Scherwinde machen den Landeanflug zu einer gefährlichen Angelegenheit, sodass bisher nur Testflüge und medizinische Notfalltransporte St. Helena ansteuern konnten.
2012 war Radio St. Helena, das langjährige Programm der Lokalregierung eingestellt worden, und später durch eine private Gesellschaft ersetzt worden, die Subventionen für den Sendebetrieb erhielt. Jetzt drohte das Aus für den Inselrundfunk. Die South Atlantic Media Services (SAMS) Ltd einigte sich erst in letzter Sekunde mit der Regierung über eine weitere Finanzierung für die nächsten drei Jahre. Der Sender hatte zuvor bereits die Einstellung seiner TV- und Radioprogramme zum 31. März angekündigt. SAMS betreibt das UKW-Radioprogramm SAMS Radio 1, strahlt den Londoner BBC World Service in der Inselhauptstadt Jamestown auf UKW aus, produziert eine wöchentliche TV-Nachrichtensendung und gibt ein Wochenblatt („The Sentinel“) heraus. Neben SAMS Radio 1 gibt es für die Insulaner seit 2013 zusätzlich das unabhängige Community Radio Saint FM, das auch auf Ascension-Island und Tristan da Cunha zu hören ist. Auf Ascension senden zusätzlich der BBC World Service und die Soldatenradios von BFBS und AFN, auf Tristan da Cunha das kleine Ein-Frau-Lokalradio Atlantic FM, das es erst seit 2008 gibt. Weiter südlich liegen die Falklands, um die Großbritannien und Argentinien in den 1980ern einen Krieg führten. Auf der Inselgruppe existiert mit dem Falkland Islands Radio Service ebenfalls ein Programm der dortigen Lokalregierung. Da Argentinien seine Gebietsansprüche auf die rund 3.000 Einwohner zählende Inselgruppe bis heute nicht aufgegeben hat, sind auf den Falklands immer noch britische Soldaten stationiert, die via BFBS versorgt werden. Im Kabel sendet das Privatradio KTV Radio Nova, der BBC World Service und KTV Saint FM, das das schon erwähnte Programm aus St. Helena für die dortige Exil-Community weiterverbreitet.
Britische Karibik
Bei den meisten Überseegebieten handelt es sich wie gesehen um abgelegene oder kleine Inseln. In der Karibik finden sich gleich fünf solcher Kleinstaaten. Die Cayman Islands sind mittlerweile als Steueroase und Sitz von Briefkastenfirmen weltweit zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt. Rund 40.000 Einwohner bevölkern die Inselgruppe. Die Regierung versorgt sie mit Radio Cayman One, auf dem auch Sendungen des World Service laufen, und dem karibischen Musikprogramm Breeze FM. Dazu kommt eine durchaus beachtliche Vielfalt an Privatradios. Die Privatradiogruppe dns produziert in ihrem Studiogebäude gleich vier Pop- und Rock-Programme: 96.5 CayRock, Hot 104.1 (karibische Popmusik), 106.1 Kiss FM und X107.1. Das Danceformat Spin FM 94.9 und Vibe 98.9 (karibische Popmusik) bilden eine Senderfamilie, genauso wie die Countrymusikwelle 101.9 The Rooster und das Hitformat Z 99.9. Ältestes Radio der Insel ist der Collegesender ICCI FM 101.1 , den es schon seit 1973 gibt. Weitere Radios sind Big Fish Radio, Love FM, das christliche Praise 87.9, das Gospelprogramm The Voice 97.7, STAR 92.7 und Sunny 107.9. Bei letzterem handelt es sich um das Programm des National Weather Service. Allerdings auch auf den Caymans ist es nicht immer so sonnig, wie der Sendername verspricht. So laufen hier auch die Warnungen des National Hurricane Committee.
Südlich der Bahamas liegen die Turks & Caicos Islands (TCI) mit ihren rund 30.000 Einwohnern. Von der Inselregierung kommen Radio Turks & Caicos und RCT News 105.9. Privatsender wie Coral Radio One and Two, Life Radio 1 und 2 oder das 1980 entstandene Hitformat Power FM 92.5 ergänzen das Programmangebot. Die andere britische Steueroase in der Karibik, die British Virgin Islands, leistet sich für seine ebenfalls rund 30.000 Einwohner hingegen keine eigene Rundfunkanstalt. Einzig einige Privatradios wie Z-Wave, ZCBN, Radio ZBVI 780 AM oder ZROD gibt es auf Grand Tortola und den Nachbarinseln. Auf Montserrat existiert mit Radio Monserrat wiederum ein staatliches Programm, das eine wichtige Aufgabe erfüllt. Es informiert die Einwohner über die vulkanischen Aktivitäten auf dem Eiland. Montserrat wurde in den 1990ern von schlimmen Vulkanausbrüchen heimgesucht. Seitdem ist der ganze Süden der Insel Sperrgebiet und die rund 5.000 verbliebenen Menschen leben im nördlichen Drittel der Insel. Einige Privatradios aus dem Nachbarstaat Antigua und Barbuda haben Relays auf der Insel. Auch auf Anguilla gibt es mit Radio Anguilla ein staatliches Programm für die dortigen 13.000 Insulaner, dazu kommen die Privatradios Kool FM und Up Beat Radio, Relays von anderen Karibikinseln und christliche Programme.
Im Atlantik liegt mit Bermuda ein weiteres britisches Überseegebiet. Die Inselgruppe zählt immerhin 65.000 Einwohner und ist ebenfalls eine beliebte Steueroase. Eine eigene Rundfunkanstalt unterhält die regionale Regierung nicht, sondern nur ihre Emergency Broadcast Station auf 100,1 MHz, die vor Hurricanes warnt. Die Einwohner werden hauptsächlich von einer führenden privaten Mediengruppe mit Fernsehen und Radio versorgt – der BBC, in diesem Fall die in den 1950ern entstandene Bermuda Broadcasting Corporation. Sie betreibt die Fernsehkanäle ZFB TV (Channel 7) und ZBM TV (Channel 9). Man orientiert sich auf Bermuda an den USA, die beiden TV-Programme bekommen deshalb einen Mantel von ABC und CBS. Dazu produziert diese BBC vier Radiosender – das religiöse Bermuda Spirit (Mittelwelle und UKW), das NewsTalk-Format ZBM-AM, Power95 Stereo FM und FM89. Der Hauptmitbewerber VSB musste 2015 seinen Betrieb einstellen, darunter seinen NBC TV-Ableger auf Bermuda. Das Radioprogramm Mix 106 konnte mit neuen Eignern hingegen fortbestehen. Im Radiobereich bietet die Inter-Islands Communications Ltd. zwei weitere Alternativen an. Das 2004 gestartete Hott 107.5 ist mit seinem Caribbean Hot AC die Nummer 1 in der Hörergunst, seit 2007 sendet der zweite Sender Magic 102.7 („The Hits of Yesterday and Today“). „Tune in to IRIE now to hear the best in Reggae Chunes!!!“ heißt es bei IRIE 98.3 FM in der Hauptstadt Hamilton.
The Rock
Einziges „Überseegebiet“ in Europa ist Gibraltar. Die rund 30.000 Einwohner auf „The Rock“ versorgt die kleine GBC mit einem englisch- und einem spanischsprachigen Programm. Dazu kommen die BFBS-Programme und der World Service via DAB+.
Kein Radioprogramm gibt es Pitcairn. Auf diesem völlig entlegenen Eiland im Pazifik leben lediglich 46 Menschen, die Nachfahren der Meuterer von der Bounty sind. Die Insel kam vor rund zehn Jahren zu unrühmlicher Aufmerksamkeit, da im Rahmen von Gerichtsverfahren mehrere Fälle von Kindesmissbrauch innerhalb der isolierten Gemeinde aufgearbeitet wurden.