In Polen sind UKW-Frequenzen für ein Radioprogramm für die Minderheit der Lemken ausgeschrieben. Lemken?
Google und Wikipedia helfen weiter. Die Lemken bilden eine Untergruppe der Russinen – und jetzt wird es richtig verwickelt. Die Russinen oder auch Ruthenen sind eine über ganz Ost- und Südosteuropa verstreute Minderheit, die mit den Ukrainern verwandt ist. In der Ukraine unterscheidet die Volkszählung deshalb auch nicht zwischen Ukrainern und Russinen. Russinische Bevölkerungsgruppen gibt es neben Polen auch in der Nordost-Slowakei, im Westen der Ukraine (Karpatoukraine oder Transkarpatien), in Ungarn, Rumänien, im kroatischen Slawonien und in der serbischen Vojvodina sowie in der Diaspora in Kanada und den USA. Die Lemken sprechen eine eigene ostslawische Sprache und sind mehrheitlich orthodoxen Glaubens, genaugenommen Mitglieder der Rom-treuen in der Ukraine beheimateten griechisch-katholischen Ostkirche. Aber das wäre ein weiteres Kapitel.
Die ausgeschriebenen UKW-Frequenzen befinden sich in Gorlice, östlich von Krakau, und im niederschlesischen Polkowice (Polkwitz). Das ungewöhnliche, da völlig unzusammenhängende Sendegebiet, ist auch die Folge der heutigen Verteilung oder besser Verstreuung der Lemken in Polen.
Das eigentliche Siedlungsgebiet des Hirtenvolks liegt im Südosten Polens, in den Bergen der Beskiden und dem Bieszczady-Gebirge. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Lemken ihre Dörfer verlassen. Polens Kommunisten siedelten die in Polens neuen Grenzen verbliebenen Lemken bis 1947 zwangsweise in die ehemaligen deutschen Ostgebiete, die Dörfer und Städte Schlesiens, Masurens und Pommerns, um. In den 1950ern konnte einige Familien u.a. in die Region um Gorlice zurückkehren. Die ehemaligen Gehöfte und Dörfer der Lemken liegen hingegen bis heute wüst.
Im Internet gibt es zwei Sender in der lemkischen Sprache, die auch Fördermittel vom polnischen Ministerium für Verwaltung und Digitalisierung erhalten. Lem FM wird von einer lemkischen Kultur- und Jugendorganisation in Gorlice betrieben wird. Neben seinem Hauptprogramm bietet es online auch zwei Kanäle mit traditioneller Musik. Aus einem lemkischen Kulturzentrum in Strzelce Krajeńskie bei Gorzów Wielkopolski im Westen Polens sendet das Webradio Radio Lemko.
11.000 Lemken leben laut der Volkszählung von 2011 in Polen, 7.000 von ihnen gaben Lemkisch als erste Zugehörigkeit an. Ein Blick in den Zensus zeigt, es gibt damit heute mehr Russen (13.000) und Amerikaner (12.000) in Polen als Lemken.
Die anderen Minderheiten im Rundfunk
847.000 Polen, vor allem in Oberschlesien, bezeichneten sich bei der letzten Volkszählung selbt als Schlesier. Polens oberstes Gericht urteilte aber 2013 die Schlesier seien keine Volksgruppe im rechtlichen Sinne und versagte ihren Vereinigungen die Gleichstellung mit den anderen Minderheiten. 233.000 Kaschuben leben in Polen, aber nur ein sehr kleiner Teil gibt die kaschubische Zugehörigkeit als erste oder einzige an. Für die Kaschuben existiert seit einigen Jahren ein UKW-Radioprogramm in ihrem Hauptsiedlungsgebiet bei Danzig.
148.000 fühlen sich der deutschen Minderheit zugehörig. Deutschsprachige Radiosendungen gibt es vor allem in den öffentlich-rechtlichen Regionalsendern wie Radio Opole, auf dem werktags die vom Verband der deutschen Minderheit produzierte Nachrichtensendung „Schlesien Aktuell“ und einmal im Monat „Deutschland hautnah“ zu hören ist. In der Woiwodschaft Oppeln ist die deutsche Minderheit am stärksten vertreten. Auf dem benachbarten Radio Katowice läuft zweimal im Monat „Präsent“, das wie „Die deutsche Stimme“ auf dem Privatsender Radio Vanessa in Racibórz, von der deutsch-polnischen Redaktion Mittendrin produziert wird. Radio Mittendrin unterhält auch ein Webradio. Die „Allensteiner Welle“ ist einmal die Woche im Programm von Radio Olsztyn auf Sendung, bei Radio Wrocław in Breslau heißt es sonntags „Sami swoi – Miteinander“. Auch will das niederschlesische Regionalradio künftig stärker mit dem MDR Landesfunkhaus Sachsen kooperieren. Auf dem Privatsender Radio Park gibt es das „Deutsch-Polnische Wunschkonzert“, das auch von der Mediengesellschaft des Verbands der Minderheit Pro Futura produziert wird. Für Radio Doxa FM Opole steuert diese die Sendungen „Musikschachtel“ und „Minderheit aktuell“ bei. Von Plänen für ein eigenes UKW-Radioprogramm der deutschen Minderheit aus Opole, über das 2011 die polnische Presse berichtete, hört man hingegen nichts mehr.
Bleiben noch Ukrainer (51.000) und Weißrussen (47.000). Für letztere gibt es Radio Racja/Radyjo Razyja aus Bialystok. Neben der Minderheit in Polen, hat der erstmalig 1999 gestartete Sender vor allem die Weißrussen jenseits der Grenze, im isolierten Weißrussland im Blick. Polens Außenministerium finanziert deshalb das Programm, das mit einer 120 Kilowatt Frequenz – wie einst der Deutschlandfunk in die DDR – ins Nachbarland hineinsendet. Radio Racja weckt Erinnerungen an Programme wie Radio Free Europe, die von West nach Ost sendeten.