Im letzten Sommer wurde der französische Radiomarkt von einem Skandal erschüttert, dessen weitere juristische Aufarbeitung nun ansteht.
Reichweitenmessung durch wiederholte Aufrufe von Moderator beeinflusst
Fun Radio, ein Sender der RTL Group, hatte seine Ergebnisse bei der französische Radioreichweitenmessung manipuliert. Der Moderator Bruno Guillon rief über einen längeren Zeitraum in seiner Sendung die Hörer dazu auf bei den Telefonbefragungen, auf deren Basis die Reichweiten errechnet werden, Fun Radio als Lieblingsstation zu nennen. Über den Sender gingen Moderationen wie: „Wenn sie gefragt werden, welchen Sender sie hören, sagen sie Fun Radio, auch wenn sie uns nie hören“ oder „Sagen sie auch ihren Freunden, dass sie uns bei der Befragung nennen sollen, auch wenn es nicht wahr ist“ oder „Erwähnen sie keine anderen Radiosender, auch wenn sie diese hören“. Zwischen September und Juni werden jedes Jahr 126.000 solcher Interviews durchgeführt. Das Institut Médiamétrie, das die Reichweiten erhebt, prüfte nach Protesten von Mitbewerbern den Fall und stellte einen Zusammenhang zwischen den gestiegenen Quoten von Fun Radio und der Aktion her. Daraufhin strich es die Ergebnisse von Fun Radio für 2016 rückwirkend. Fun Radio wurde von zwei Befragungswellen ausgeschlossen – ein herber Schlag, da die Werbeeinnahmen einzubrechen drohten. Ein Pariser Gericht kippte allerdings im September den Beschluss und ordnete an, dass Fun Radio wieder integriert werden muss.
Wettbewerber fordern Schadenersatz von Fun Radio
Die großen französischen Radiogruppen NRJ, NextRadio TV (RMC), Lagardère (Europe 1) und Skyrock fordern nun Schadenersatz von Fun Radio und haben Klage erhoben. Auch viele Lokalsender werden sich anschließen, das berichtet die französische Zeitung „Les Echos“. Die Radiounternehmen schätzen den Umsatz- und Imageschaden auf mindestens je 10 Millionen Euro für NextRadioTV, Skyrock und Lagardère und auf über 20 Millionen Euro für die NRJ-Gruppe mit ihren vier landesweiten Radioprogrammen. Insgesamt 50 Millionen Euro stehen also im Raum. Ob RTLs Radiosparte wirklich am Ende Summen in dieser Größenordnung zahlen muss, bleibt abzuwarten, trotzdem wird sie laut „Les Echos“ Rückstellungen für den Fall bilden, dass es doch dazu kommt.
Unruhe, die RTL nicht gebrauchen kann, da gerade die Radiosparte RTL France in den TV-Konzern M6 integriert wird und aus den bisher getrennt operierenden Töchtern ein gemeinsamer Konzern entstehen soll. M6 und RTL France gehören beide zur RTL Group, deren Hauptgesellschaft der deutsche Bertelsmann-Konzern ist.