Das Radio hat Zukunft – trotz stetig sinkender Nutzung insbesondere beim jüngeren Publikum. Um auch in den kommenden Jahren ein attraktives, verlässliches Radioangebot in Hessen bieten zu können, hat der Hessische Rundfunk eine langfristige Radiostrategie entwickelt.
Das klassische Radio steht vor vielen Herausforderungen: Von Jahr zu Jahr verliert es im Durchschnitt etwa 1 Prozent an Nutzung, bei den jüngeren Zielgruppen liegt der Wert bei etwa 2,5 Prozent. Lineares Radio wird weniger genutzt, genauso wie lineares Fernsehen, gleichzeitig nimmt die Nutzung digitaler Medien schnell zu. Darauf stellt sich der hr mit einem Zielbild ein, bei dem nach dem Fernsehen nun auch das Radio vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen und medienpolitischer Diskussionen zukunftsgerichtet aufgestellt wird. „Das Radio ist und bleibt wichtig und wir wollen weiter erfolgreiches Radio anbieten. Die einzigartige Funktion, die Radio einnimmt, lässt sich nicht digitalisieren – und genau deshalb wird es auch in Zukunft Radio geben. Es wird Radioangebote brauchen und geben, die konsequent an die Zielgruppe der über 50-Jährigen und deren Nutzungsverhalten ausgerichtet sind”, betont Martin Lauer, stellvertretender Programmdirektor.
Die neu entwickelte Radiostrategie hat das Ziel, Ressourcen für digitale Produkte und für mehr Dialogangebote zu generieren, und zwar für alle Zielgruppen, alt wie jung, Land wie Stadt, mit unterschiedlichen Herkünften und unterschiedlichen Bildungshintergründen. Die Radiostrategie verfolgt, wie das Zielbild bis 2032, eine langfristige Perspektive und leitet davon konkretere Pläne bis 2028 ab.
Plan bis 2028: Fokussierung der Radioangebote
In einer ersten Stufe bis 2028 wird der hr sein Angebot, das derzeit aus sechs Hörfunkprogrammen besteht, noch passgenauer an den sich ändernden Nutzungsgewohnheiten und Zielgruppen ausrichten:
Noch stärkere Fokussierung auf die stark genutzten Zeiten am Morgen in allen Radioprogrammen, im reichweitenschwächeren Tagesbegleitprogramm mehr Synergien durch Mehrfachverwertung vorhandener Inhalte.
Intensivierung der bereits begonnenen ARD-weiten Sendekooperationen am Abend und am Wochenende.
Die hr-Radio-Apps werden in die ARD Audiothek integriert.
YOU FM kooperiert entweder mit anderen jungen ARD-Programmen oder es wird zu deutlich reduzierten Kosten eigenständig weitergeführt.
Bei hr3 sind keine wesentlichen Programmveränderungen geplant. Ab 21 Uhr soll es in die ARD-Kooperation gehen.
Bei hr1 und hr4 liegt der Fokus auf der Radio-Primetime, also den Frühsendungen der einzelnen Wellen. Originärer Content nach den Primetime-Strecken soll reduziert werden, es kann längere Moderationsstrecken geben. Am Abend geht es verstärkt in die ARD-Kooperation.
Bei hr2-kultur liegt der Fokus ebenso auf der Frühsendung. Danach geht es in ein hr2 Klassik-Musikprogramm ohne originären Content. Wortformate werden zweitverwertet. Die aktuelle Kulturberichterstattung wird zukünftig primär für hr-iNFO produziert– dort, wo die Nutzer*innen aktuelle Informationen erwarten.
hr-iNFO bleibt das verlässliche Informationsangebot des hr. Bei überregionalen Themen verstärkte Kooperationen in ARD-Verbund.
Annahme bis 2032: Weniger eigenproduziertes Radioprogramm
In der zweiten Stufe wird über die Zukunft von Radiowellen über 2028 hinaus entschieden. Konkret geht es dann um die Frage, wie sich die Mediennutzung entwickelt hat, welche Radioangebote die Menschen in Hessen nutzen und demnach der hr nach 2028 anbietet. Nach heutigem Wissen über die Mediennutzung der verschiedenen Altersgruppen und über die digitale Entwicklung sieht das Szenario noch drei Vollprogramme mit eigenproduzierten Inhalten vor; weitere Wellen können im ARD-Verbund oder durch interne Zusammenarbeit durchaus weiter bestehen. „Natürlich können wir nicht so weit in die Zukunft schauen. Es ist uns dennoch wichtig, mit dieser Annahme unsere stetigen und umfassenden Veränderungen im hr voranzutreiben. Denn wir müssen weitere langfristige Entscheidungen, zum Beispiel zu Produktions- und Redaktionsflächen sowie der personellen Ausstattung, treffen. Dabei hilft eine Orientierung an drei eigenproduzierten Radiowellen. Welche das sein könnten, wird sich dann in einigen Jahren zeigen. Darüber gibt es heute noch keine Entscheidung”, erläutert Programmdirektorin Gabriele Holzner.
Ab September werden die verantwortlichen Programmmacher*innen und die Geschäftsleitung einen Umsetzungsplan für Stufe 1 entwickeln. Alle tarifvertraglichen Verpflichtungen sollen dabei geachtet werden, Kündigungen schließt die Geschäftsleitung derzeit aus.
Grundlage: Das hr-Zielbild
Die Radiostrategie leitet sich ab aus einem Zielbild, das der hr für 2032 entwickelt hat. Dieses sieht eine Neuausrichtung des Angebotsportfolios vor, das sich an den veränderten Nutzungssituationen der Medien und den Bedürfnissen orientiert. Ziel ist ein generationengerechtes Angebot, das die gesamte Gesellschaft abbildet, um Akzeptanz, Vertrauen sowie Nähe zu den Menschen in Hessen zu stärken. Hierzu braucht es ein Portfolio, das flexibel, fokussiert, digitaler und weniger linear ausgerichtet ist. Im Bewegtbildbereich sind hier in den vergangenen Jahren durch die Neuausrichtung des hr-fernsehens und die Stärkung des Mediathekenangebots bereits wichtige Schritte gegangen worden. Auch die ARD-Reformagenda war eine wichtige Richtungsentscheidung.