UKW wird in Großbritannien voraussichtlich mindestens bis 2030 weiter als Übertragungsweg für Radio genutzt werden, zu diesem Ergebnis kommt das „Digital Radio and Audio Review“. Die Studie wurde von der britischen Regierung in Auftrag gegeben und in Zusammenarbeit mit den Privatradios, der BBC sowie der Auto- und Elektronikindustrie durchgeführt.
Begründet wird der Vorschlag u.a. damit, dass UKW gerade für ältere Menschen, Besitzerinnen und Besitzer älterer Autos und Bewohnerinnen und Bewohner in abgelegenen Regionen weiterhin eine wichtige Rolle spiele. Deshalb müsse der Umstieg auf neue Technologien schrittweise erfolgen, zum jetzigen Zeitpunkt ein Abschaltdatum festzulegen sei verfrüht. Die Studie empfiehlt stattdessen bis mindestens 2030 auf einen Verbreitungsmix aus DAB, UKW und IP zu setzen. Ferner warnt die Studie davor, dass durch eine UKW-Abschaltung der Gattung Radio Hörerinnen und Hörer verlorengehen könnten – und die Branche möglicherweise dadurch Einbußen hinnehmen müsste, welche die Einsparungen an Übertragungskosten übersteigen könnten.
2010 hatte die britische Regierung den sogenannten „Digital Radio Action Plan“ beschlossen. Dieser sah eigentlich vor, dass über ein UKW-Ausstiegsszenario nachgedacht werden sollte, sobald die digitale Radionutzung in Großbritannien die 50-Prozent-Schwelle übersteigt. 2020 lag der Anteil der digitalen Verbreitungswege an der gesamten Radionutzung bei 58 Prozent.
Folgt die britische Regierung den Vorschlägen des von ihr in Auftrag gebenenen Reviews, kommt ein UKW-Ausstieg in Großbritannien nun allerdings nicht vor 2030.
Für die Mittelwelle, auf die laut der Studie nur noch rund drei Prozent des Radiokonsums in Großbritannien entfallen, sollen – so der Vorschlag des Reviews – die dort noch aktiven landesweiten Anbieter einen Ausstiegsplan für Mitte der 2020er Jahre entwickeln. Mit Blick auf die stetig nachlassende Nutzung der Mittelwelle sieht die Studie allerdings keine Notwendigkeit für ein von der Politik bestimmtes Abschaltdatum für Mittelwellenfrequenzen.
Die Briten setzen in puncto Digitalradio aktuell noch überwiegend auf den alten DAB-Standard. Ein Wechsel auf das in Europa übliche DAB+ würde zwischen 24 und 37 zusätzliche UK-weite Programme möglich machen, rechnet die Studie vor. Das Hauptargument gegen einen Wechsel auf den DAB+-Standard ist seit Jahren, dass es noch zu viele Empfangsgeräte im Markt gibt, die nur DAB empfangen können – bei einem Wechsel also die Anzahl der potentiell erreichbaren Hörerinnen und Hörer schrumpft. Die Studie regt deshalb an, eine Marktuntersuchung durchzuführen, die herausfinden soll wie viele DAB+-fähige Empfangsgeräte mittlerweile genau in britischen Haushalten stehen bzw. in Autos im Einsatz sind.
Im Fokus des Reviews stand zudem die Frage, wie sich der freie, ungehinderte Zugang von Radioanbietern zu den immer populärer werdenden Smart Speakern dauerhaft sicherstellen lässt. Der Studie zufolge entfallen in Großbritannien 64 Prozent des Audiokonsums über Smart Speaker auf Live-Radiostreams. Wie in anderen Märkten auch dominieren Amazon, Google und Apple den britischen Smart Speaker-Markt. Die Studie weist darauf hin, dass es allerdings bisher keine hinreichenden Regulierungsmöglichkeiten für diesen für die Radiosender immer wichtiger werdenden Sektor gibt. Hier bestehe Handlungsbedarf, um zu verhindern, dass die Tech-Konzerne zu Gatekeepern der neuen Audio-Welt werden könnten.
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