Es ist so weit! Das wohl ungewöhnlichste Radioprogramm Deutschlands geht auf Sendung. Am Samstag, 4. September, um 10 Uhr startet das „AHRTALRADIO“ aus Bad Neuenahr. Informationen, Musik, Service und Unterhaltung aus dem Ahrtal – für das Ahrtal.
Das Projekt ist so ungewöhnlich wie der Zeitraum der Entstehung. Als kurz nach der Hochwasser-Katastrophe Mitte Juli klar war, dass sich die großen Medien schnell wieder für ihre Tagesberichterstattung aus der Region verabschieden werden, blieb die Frage offen, wer in die entstandene Lücke eintritt. Nicht alle Bürger nutzen Internet und Facebook. Nicht mehr überall wird die Zeitung zugestellt. Wie aber über die Region informieren?
Der Euskirchener Radiomacher Christian Milling fasste den Entschluss praktisch über Nacht, selbst aktiv zu werden. Mit einem Team ambitionierter Radiomacher und Unterstützung von Profis verschiedener Stationen gelang es, binnen weniger Tage ein Team und ein Programm auf die Beine zu stellen. Technik für Sendestudios und Antennenanlagen bringt Milling von Berufswegen mit. Nachdem auch ein Sendestandort an der Landskrone hoch über Bad Neuenahr gefunden war, konnte es losgehen.
Ein Radioprogramm zu lizenzieren, dauert normalerweise gut und gerne mehr als ein Jahr. Hier arbeiteten alle Kräfte zusammen. Die Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz lizenzierte das Programm in Rekordzeit, die Bundesnetzagentur steuerte UKW-Frequenzen bei. Alle Behörden koordinierten „Hand in Hand“, so dass es keine fünf Wochen von der Idee bis zur Realisierung dauerte. Am 27. August wurde bereits das Studio eingebaut. Einen Tag später die UKW-Sender installiert. Derweil begannen bereits die Produktionen, damit es zum Sendestart auch etwas zu hören geben wird.
Das „AHRTALRADIO“ ist dabei weit mehr als ein gewöhnliches Lokalradio. Es dient dem Ziel, den Wiederaufbau und die Kommunikation im Ahrtal zu fördern. Neben Nachrichten und vielen Berichten und Reportagen gibt es eine „Pinnwand“ für Hilfsangebote aller Art, eine tägliche Stellenbörse, Rechts- und Versicherungstipps sowie jede Menge Service. Zahlreiche Aktionen und Sondersendungen runden das Angebot ab. Zudem springt das „AHRTALRADIO“ überall dort ein, wo es derzeit Einschnitte infolge der Katastrophe gibt. So wird jeden Sonntagvormittag ein Gottesdienst übertragen. Der Sender berichtet, wo und wie die Bundestagswahl im Ahrtal ablaufen wird, und ist mit einer großen Wahl-Sondersendung am 26. September abends solange live dabei, bis alle Ergebnisse aus den Kommunen vorliegen.
Eine weitere Besonderheit: Im „AHRTALRADIO“ gibt es 60 Werbespots gratis für alle Unternehmen, Handwerker, Läden und Dienstleister, die von der Flut betroffen waren. Auch die Spotproduktion ist kostenlos. So kann schnell und unkompliziert der Kontakt zum Kunden gehalten werden. Alle anderen Werbeinteressenten zahlen einen symbolischen Preis von drei Euro je Spotausstrahlung, um die Kosten, die der Sendebetrieb verursacht, zu refinanzieren. Obwohl noch keine Minute gesendet ist, war das Interesse bei den Gewerbetreibenden bereits enorm. Werden Überschüsse erwirtschaftet, sollen diese den Flutopfern zugutekommen, ist sich das Radioteam einig.
Damit das möglich wird, arbeiten die funk- und fernseherfahrenen Radiomacher ehrenamtlich. Vergütet werden nur anfallende Spesen. Viele Kollegen haben sich extra Urlaub genommen, um das Projekt zu unterstützen. So konnten einige echte Radio-Promis gewonnen werden. Biggi Lechtermann, bekannt von RTL Radio, ZDF und Health TV, wird immer sonntags durch das Programm führen. Gero Simone vom WDR hat mit Kollegen sogar eine eigene Comedyserie für das Ahrtal geschrieben. Jürgen Kolb und Dagmar Fulle, beides Urgesteine der HR-Radiowellen werden ebenso vertreten sein wie DLF-Moderatorin Susan Zare sowie Kolleginnen und Kollegen der benachbarten Lokalradios aus Euskirchen und Ostbelgien.
Am Samstag um 10 Uhr ist es nun so weit. Mit einer bunten Eröffnungssendung geht das „AHRTALRADIO“ offiziell an den Start. Gleich am ersten Wochenende wird es Berichte und Live-Reportagen, eine Musikshow mit Dagmar Fulle, eine Schallplattenparty, ein Wunschkonzert und sogar ein Reisegewinnspiel geben. Danach wechseln Informationen, Service, Unterhaltung und Kultur im Programm einander ab. Dazu werden die größten Hits der letzten fünf Jahrzehnte gespielt. Ein bisschen Aufregung ist schon mit im Spiel, denn das Team hat in dieser Zusammenstellung noch nicht gearbeitet. Und statt einem Funkhaus gibt es auch nur ein kleines Studio und Schnittplätze im Pfarrzentrum von Heppingen. Dennoch wird alles in hoher Qualität und nach strengen journalistischen Grundsätzen ablaufen. Aber auch der Spaß wird nicht zu kurz kommen.
Zunächst wird das Programm bis zum 3. Oktober 2021 auf Sendung bleiben. Was dann geschieht, wird die Zukunft zeigen. Gesendet wird auf der UKW-Frequenz 107,9 MHz, die rund um Bad Neuenahr, in der Grafschaft, Bad Bodendorf, Sinzig und Remagen empfangbar ist. In den Tälern um Dernau, Mayschoss, Altenahr und Umgebung kommen drei weitere UKW-Frequenzen zum Einsatz. Alle Infos dazu finden Sie ab dem Sendestart auf der Internetseite www.ahrtalradio.de. Dort gibt es auch den Live-Stream zum Internetradio, das weltweit empfangbar ist. Innerhalb des Ahrtals sucht sich das Autoradio während der Fahrt automatisch die Frequenz, über die der Sender am besten zu empfangen ist.
Auf diese Weise und in derart kurzer Zeit ist noch nie ein Radioprogramm in Deutschland auf Sendung gegangen. Aber „besondere Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen“, meinen die Radiomacher – und wünschen sich eigentlich nur noch eines: Das viele Menschen aus dem Ahrtal einschalten und von dem neuen Service auch profitieren können.
Ahrtalradio