Yvonne Malak: Fehlerfreies Deutsch…

…ist heute in allen Mediengattungen Mangelware… einige Tageszeitungen kriegen es zwar noch hin, in den Online-Medien „verrutscht“ aber öfter mal etwas und natürlich wird auch in Radio und TV nicht immer grammatikalisch korrektes bzw. fehlerfreies Deutsch gesprochen.

Dass die häufigsten sprachlichen Fehler mit Nachlässigkeit zu tun haben und nicht mit Unwissen, will ich hier einfach mal unterstellen. Deshalb hier die Top 3 Fehler in Moderationen, Texten und Nachrichten, die dir ab sofort nicht mehr unterlaufen…

1. „Brauchen“ ohne „zu“.
Falsch: „Da brauchst du gar nicht erst anrufen“.
Richtig: „Da brauchst du gar nicht erst anzurufen“.

Eselsbrücke: „Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.“

Oder korrekt ausgedrückt: „Die Verwendung von brauchen als Modalitätsverb* ist standardsprachlich nur mit Negation und zu korrekt und hat die Bedeutung nicht müssen“. (aus: Deutsche Grammatik 2.0)

2. „Scheinbar“ statt „anscheinend“
Falsch: „Der Nachrichtensprecher Jan Hofer wechselt scheinbar zu RTL“.
Richtig: „Jan Hofer wechselt anscheinend zu RTL“.

Im Gegensatz zu: „Der neue Kollege ist nur scheinbar ein netter Mensch… in Wirklichkeit ist er eine fiese Bazille“.

Der Duden schreibt dazu: Mit anscheinend wird die Vermutung zum Ausdruck gebracht, dass etwas so ist, wie es erscheint.

  • Herr Maier ist anscheinend krank.

Dies bedeutet also: Es sieht so aus/hat den Anschein, als ob Herr Maier krank wäre; vermutlich ist er es tatsächlich.

Das Adjektiv scheinbar besagt, dass etwas nur dem Schein nach, nicht aber in Wirklichkeit so ist, wie es sich darstellt. Dieses Wort steht im Gegensatz zu „wirklich“, „wahr“, „tatsächlich“:

  • Die meisten Abstürze passieren in scheinbar harmlosem Gelände.

3. „Wie“ statt „als“
Falsch: „Das Matterhorn ist gut 1000 Meter höher wie die Zugspitze“.
Richtig: „Es ist höher als…“

Noch falscher: eine Kombination aus „als“ und „wie“… „Größer als wie…“. Aber das würde dir sowieso nie passieren 😉

Der Duden schreibt dazu: Die Vergleichspartikel als drückt standardsprachlich Ungleichheit aus, die Vergleichspartikel wie dagegen Gleichheit. Daher steht nach einem Komparativ immer als, nicht wie:Die Welt ist tief und tiefer als der Tag gedacht (Nietzsche), mehr als genug, eine härtere Strafe[,] als die Elevin zu verbannen. Nicht standardsprachlich ist also: [Deine Hände] sind kleiner wie meine. Damit kommst du besser in die Ecken beim Putzen (Helge Schneider).

Und Fehler Nummer 4…

….ist nur scheinbar ein Fehler… nämlich der Dativ nach Genitiv-Präpositionen wie „wegen“ oder „trotz“. Es hat sich im gesprochenen Deutsch durchgesetzt, in einigen Fällen den Dativ statt des Genitivs zu verwenden, schreibt der Genitiv-Retter Bastian Sick in einer Kolumne auf spiegel.de (https://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-der-dativ-ist-dem-genitiv-sein-tod-a-267725.html):

In deutschen Grammatikwerken ist nachzulesen, dass hinter „wegen“ in besonderen Fällen der Dativ stehen kann. Ein solcher besonderer Fall ist gegeben, wenn die Präposition vor einem „unbekleideten“ Nomen steht, also einem Hauptwort, das weder Artikel noch Attribut mit sich führt: „Wegen Umbau geschlossen“ – das ist erlaubt, es muss nicht „wegen Umbaus“ heißen. Ist das Hauptwort jedoch „bekleidet“, bleibt der Genitiv die bessere Wahl: „wegen des Umbaus“, „wegen kompletten Umbaus“. Dennoch hört man immer häufiger „wegen dem“ statt „wegen des“. Auch hinter „laut“ scheint sich der Dativ durchgesetzt zu haben. Immer seltener hört man „laut eines Berichts“, und immer häufiger dafür „laut einem Bericht“.

Ich persönlich finde, den Genitiv zu ignorieren klingt plump und nach schlechtem Deutsch. Bei Bastian Sick habe ich dazu außerdem Folgendes gefunden, das uns zu denken geben sollte:

„…Ferner gibt es Radiosender, die mit der offiziellen Anweisung arbeiten: „Keinen Genitiv! Das überfordert die Hörer!“ Dabei handelt es sich natürlich nicht um Sender, die das Wort „Info“ oder „Kultur“ im Namen tragen, sondern eher um solche, die irgendwas mit „Hit“ oder „Antenne“ heißen. Der Genitiv war nie ein Volksgut, sondern immer ein Bildungsgut. In der Sprache des Bildungsbürgertums ist er nach wie vor sehr lebendig.“   

Schon allein wegen des anscheinend schlechten Rufs der Hitradios (und nicht

„wegen dem scheinbar schlechten Ruf von Hitradios“) sollten wir Radiomacher den korrekten Fall verwenden, um nicht am Ende eine größere Schuld am Tod des Genitivs zu tragen als andere Mediengattungen…

Ich persönlich mag den Genitiv und finde, er klingt auch in der gesprochenen Sprache gut und nicht überkandidelt. Ich jedenfalls werde den Genitiv so lange verwenden, bis der nächste Fall den Bach runter geht, nämlich bis der Akkusativ den Dativ sein Tod ist…

In diesem Sinne: helft mit bei der Rettung fehlerfreier Sprache – auch in Radios, die irgendwas mit „Hit“ und „Antenne“ im Namen tragen…

Eure
Yvonne Malak

Yvonne Malak
Das Moderationshandbuch: Alles, was Radio-Profis wissen müssen
201 Seiten
ISBN 3848782723
39,00 € Nomos

Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. April 2024.

Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/

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