Wenn eine Geschichte zu Ende ist, ist sie zu Ende – eine alte Regel und eigentlich auch richtig.
Eigentlich… denn es gibt diese Geschichten, die eben nicht zu Ende sein sollten, wenn die Fakten erzählt sind, die Geschichten, die eine „Rosa Schleife“! brauchen – in diesen Zeiten mehr denn je.
Die erfolgreichsten Moderatoren, die besten Talker und die größten Geschichtenerzähler haben eines gemeinsam: das Talent zum Happy End.
Ellen de Generes, Chris Evans, Ryan Seacrest, Elvis Duran machen, wann immer es geht und passt, genau das, was die meisten Buchautoren und Filmemacher tun: sie suchen das Happy End, den positiven Dreh zum Schluss. Den Epilog, der dem Leser Hoffnung oder ein gutes Gefühl gibt und ihn das Buch zufrieden zur Seite legen lässt.
Ich habe es schon oft an dieser Stelle geschrieben: Unterhaltungsmedien werden von den Nutzern zum „Good Mood Management“ eingesetzt. Menschen hören Radio (natürlich spreche ich hier nicht von Nachrichtensendern!), um gute Gefühle zu bekommen, aufrechtzuerhalten oder schlechte Gefühle in gute umzuwandeln.
Zu keiner Zeit konnten wir mehr dabei helfen als in diesen Tagen. Deshalb meine Empfehlung an alle Geschichtenerzähler im Radio: suchen Sie die „Rosa Schleife“!
Ein Beispiel: als Tim Mälzer am 6. Mai in der Markus Lanz Show im ZDF zu Gast war und angesichts der Lage in der Gastronomie und den Aussichten für seine Restaurants live in der Show mit den Tränen kämpfte, endete dieses Gesprächs-Segment in der Sendung mit einem positiven Dreh von Markus Lanz. Mit einer „Rosa Schleife“, die er noch an dieses Talk-Segment „dran gebunden“ hat.
Gegenbeispiel: als am 15. Mai Cafés und Restaurants in einigen Bundesländern wieder öffnen durften, schickte ein Sender in einer Unterhaltungsshow einen seiner Moderatoren auf die Straße, um die Lage vor Ort zu überprüfen. Der Moderator fand geschlossene Cafés, Restaurants, die sich noch nicht in der Lage sahen, zu öffnen, Hinweise auf eine spätere Öffnung zum Ende der Woche etc. und schloss seinen Live-Take in etwa mit den Worten: „Also eigentlich dürften die Restaurants wieder öffnen, aber heute morgen um 09:30 Uhr ist hier alles, was ich besucht habe, noch geschlossen. Schade.“ Und Ende.
Wie wäre es gewesen, hier eine „Rosa Schleife“ dran zu binden, das Positive zu sehen, Empathie zu zeigen? Zum Beispiel: „Im Moment ist zwar alles noch geschlossen und wir verstehen, dass es schwierig ist, allen neuen Regeln und Anforderungen gerecht zu werden. Aber wir freuen uns jetzt schon darauf, wenn ab heute Mittag/ ab morgen/ ab Ende der Woche Kaffee XY und Restaurant Z endlich wieder geöffnet haben. Ich werde einer eurer ersten Gäste sein“. Für mein Verständnis gibt ein solches Ende dem Hörer ein deutlich besseres Gefühl als das Ende oben.
Zurück zur Geschichte um Tim Mälzer:
Weil der O Ton, in dem Tim Mälzer mit den Tränen gekämpft hat, so emotional und plakativ war, haben einige Radiostationen genau diesen Teil am nächsten Tag in ihren Sendungen on air genommen, dabei aber häufig versäumt, die „Rosa Schleife“ zu finden.
Was macht ein besseres Gefühl? Ein Tränen erstickter O-Ton von Tim Mälzer, Bedauern und Musik oder ein Tränen erstickter O Ton von Tim Mälzer und die Aufforderung des Moderators an alle Hörer: „Liebe Gastwirte in XY – wir versprechen euch, sobald wir wieder dürfen, gehen wir essen so viel der Geldbeutel hergibt, denn wir wollen euch auf keinen Fall verlieren und freuen uns alle jetzt schon drauf, wenn wir euch wieder besuchen dürfen.“
Die „Rosa Schleife“ kann auch ein Learning aus einer Geschichte sein oder eine Lebensweisheit – in jedem Fall gibt es eben Breaks, die am Ende der Geschichte noch nicht komplett beendet werden sollten. Das gilt auch für Hörertalks aller Art und Gewinnspiel-Pay-Offs, in denen der Hörer nicht gewinnt oder sich nicht ganz so gut schlägt – beenden Sie diese Talks mit einem Satz, der den Hörer umarmt und ein gutes Gefühl gibt. Manche Breaks brauchen ihn eben noch: den Extradreh für das gute Gefühl – die „Rosa Schleife“.
In diesem Sinne: es bleibt auch in diesen schwierigen Zeiten einer der großartigsten Jobs der Welt, hunderttausenden von Hörern ein gutes Gefühl geben zu dürfen. Ich bin sicher, Sie machen das Beste draus.
Ihre
Yvonne Malak
Yvonne Malak
Die Morgenshow
256 Seiten, 17 Abb., Broschur
ISBN 978-3-86962-431-0
24,00 € Herbert von Halem Verlagsgesellschaft
https://www.halem-verlag.de/die-morgenshow/
Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. Juli 2020.
Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/