Yvonne Malak: 15 gute Vorsätze fürs neue Jahr – 1. Teil

Für alle unter uns, die schwierige Zeiten als Chance sehen und deshalb optimistisch ins neue Jahr gehen, hier ein paar Vorschläge für gute Vorsätze für Radiomacher zum Jahreswechsel – Teil 1 Nummer 1 bis 8:

Guter Vorsatz Nummer 1: Wir reden uns nicht selbst klein
„Rekordeinschaltqouten für die britischen Privatradiosender…zum zweiten Mal hintereinander haben die kommerziellen Radiostationen mehr Hörer als die BBC. Das sind großartige Nachrichten für die werbetreibende Industrie und es zeigt die harte Arbeit und die Investitionen in die Qualität der Programme…“   Das sagen die privaten Sender in GB über sich! (https://www.research-live.com/amp-page.html?id=5104782&name=commercial-radio-listening-reaches-record-high)

Der „WHK Radio gesamt“ in Deutschland beträgt über 94%, die Verweildauer mehr als 4 Stunden. Die Tagesreichweite liegt bei fast 75%, selbst bei den 14–29-Jährigen liegt die Tagesreichweite noch bei fast 65%, das sind zwei Drittel der jungen Menschen, die täglich das Radio einschalten.

Können wir also mal mit dem Gejammere aufhören? Klar haben wir Probleme in einem wirtschaftlich angespannten Umfeld und viele Einheiten (z.B. in Bayern) sind zu kleinteilig lizensiert, um dauerhaft wirtschaftlich (und gleichzeitig erfolgreich) zu arbeiten, aber für viele dieser Probleme gibt es Lösungen. Bei einigen meiner Kunden haben wir neue Sonderwerbeformen im Angebot, andere haben die Anzahl an Verkäufern aufgestockt, wieder andere akzeptieren Mantelprogramm-Lösungen oder haben das Voicetracking optimiert. Im neuen Jahr setzen wir auf Flexibilität und neue Ideen statt Jammern und Schwarzsehen.

Guter Vorsatz Nummer 2: Wir überzeugen wieder von der Magie des Mediums
Wenn wir offenbar selbst vergessen, wie magisch Radio sein kann, wie wollen wir dann andere überzeugen? Gesellschafter-Vertreter, Geschäftsführer, Controller? Auch im Jahr 2023 kreiert Radio magische Momente und ist das persönlichste aller Medien. Also: besinne dich auf die Stärken des Mediums und überzeuge die Zweifler, dass es sich lohnt, weiter an Radio zu glauben und in Radio zu investieren.

Mach dir die Mühe, rauszufinden, wie man welchen Zweifler „knacken“ kann. Den Buchhalter-Typen überzeugst du vielleicht mit Zahlen (siehe oben!), den Kreativen mit verrückten Aktionen und Stunts, den Kommunikativen mit den Interaktionsmöglichkeiten usw. Siehe auch https://www.wmn.de/health/psychologie/das-4-farben-persoenlichkeits-disg-modell-id28736

Guter Vorsatz Nummer 3: Wir nutzen die moderne Technik
Die Technik ist dein Freund! Ich nehme mal ein extremes Beispiel: Ryan Seacrest sendet seine Morningshow auf KIIS FM Los Angelos aus New York (!) und für über 200 Stationen (!). In NYC ist er gleichzeitig am Vormittag auf Z 100 zu hören und am Nachmittag hört man ihn in anderen Teilen der Welt, z.B. in Indien. Ein etwas „kleineres“ Beispiel aus Deutschland: Hitradio N1 liefert mit einem Mini-Team das Mantelprogramm für 11 Galaxy Stationen in Bayern. Ich kenne viele Planungen von Kollegen für das kommende Jahr – da sind spannende Projekte dabei, die die moderne Technik hervorragend nutzen werden: wenn man offen ist und die Technik als Freund sieht, bieten sich unendliche Möglichkeiten. Das erfordert Flexibilität von Moderatoren, Dazulernen auf allen Hierarchie-Ebenen und das Verändern von Arbeitsprozessen. Das empfindet der eine oder andere sicher als unbequem, ist aber unausweichlich. 

Guter Vorsatz Nummer 4: Wir investieren in unser wichtigstes Gut – Persönlichkeiten
Eine Investition in Persönlichkeiten – gerade am Morgen – ist eine Investition mit Rendite. Hierzu könnte ich ganze Bücher schreiben (habe ich auch…). Und es ist doch total logisch, dass es Sinn macht, etwas mehr für einen unterhaltsamen sympathischen Moderator mit sehr guter Stimme auszugeben, als preisgünstig jemanden einzukaufen, der zwar geradeaus sprechen kann, es aber nicht schafft, Menschen an sich und den Sender zu binden. Wenn du eine echte Radio-Personality gefunden hast, die vielleicht dein Budget sprengt: sehe das als Investition mit Rendite. 

Investition in Persönlichkeiten meint aber auch „Zeit“! Feedback, Lob, Anregungen, natürlich auch Kritik. Lasst uns das Wertvollste pflegen, was wir haben: die Menschen, die das Medium transportieren. Wenn du Führungskraft bist, kannst du an dieser Stelle noch heute etwas besser machen.

Guter Vorsatz Nummer 5: Wir nutzen unser Medium für Nachwuchskampagnen
Hier verstehe ich die Blindheit der Branche nicht – sorry, liebe Kollegen! – wir haben ein fantastisches Medium und nutzen es nicht, um Nachwuchs zu rekrutieren. Andere Branchen buchen Spots bei uns oder Plakate, Citylights etc., um Nachwuchs anzuwerben und wir könnten das kostenfrei tun und mit nachhaltigen Aktionen der gesamten Branche mittel- und langfristig helfen.

Ich habe mich vor einigen Jahren hier zusammen mit meiner Kollegin Marina Riester engagiert – wir fanden auch an drei Stellen auch Unterstützung: bei der SLM, der Radiozentrale und den privaten Sender in Sachsen, so dass wir wenigstens in einem landesweiten Projekt zeigen konnten, wie Nachwuchsrekrutierung gelingen kann. Wir sind dann aber in vielen Bundesländern entweder an den Landesmedienanstalten gescheitert (Bürgerfunk, den kaum jemand hört, zu finanzieren, ist ja auch viel wichtiger als die Zukunft des Zwei- Säulen- Modells zu unterstützen) oder an Radiomachern, die sich selbst lieber Konkurrenz gemacht haben, anstatt zusammen zu arbeiten. Das müssen wir in Zukunft besser machen – wir haben alles, was wir brauchen, um Nachwuchs auf uns aufmerksam zu machen.

Guter Vorsatz Nummer 6: Wir bilden besser aus
Hand aufs Herz, lieber PD, liebe Abteilungsleiterin: wann hast du dich das letzte Mal mit einem Volontär hingesetzt, um herauszufinden, wo dessen Stärken liegen und was du ihm beibringen kannst? Wann hast du dein Morgenshow-Team zuletzt zu einem anderen Sender geschickt, um sich dort mal andere Arbeitsabläufe anzusehen und neuen Input mitzubringen? Wie oft hast du Airchecktermine in letzter Minute abgesagt, weil etwas vermeintlich „Wichtigeres“ zu tun war?

Wir wundern uns über das niedrige Niveau des Knowhows in der Branche und jammern, dass es zu wenig gut ausgebildeten Nachwuchs gibt. Im neuen Jahr machen wir das besser, weil wir uns mehr Zeit für den Nachwuchs nehmen und auch „altgedienten“ Kollegen mit Weiterbildungsangeboten neuen Input geben.

Übrigens: ein Canceln eines Airchecktermins in letzter Minute ist respektlos, weil es dem Mitarbeiter zeigt, dass alles andere wichtiger ist als er. Gleichzeitig signalisiert es, dass die On Air Leistung ja nicht sooooo wichtig ist…

Guter Vorsatz Nummer 7: Wir hören auch die, die uns nicht nach dem Mund reden
Niemand mag Kritik. Wir alle lieben Lob. Und die beliebtesten Coaches und „Berater“ sind die, die das sagen, was man selbst denkt und die voll des Lobes für alle On Ai Leistungen sind… Alles zusammengenommen führt dazu, dass es natürlich total schön und kuschelig ist, das zu hören, was man hören will und das bestätigt zu bekommen, was man selbst gut findet. Das Problem ist nur: das bringt nichts und niemanden nicht weiter.  

Sich gegenseitig nach dem Mund zu reden ist nur eines: bequem für alle Beteiligten (und für einige „Berater“ in Deutschland auch das bevorzugte Geschäftsmodell. Füllt  diesen zwar die Kassen, wird für die so „beratenen“ Sender aber nicht in eine erfolgreiche Zukunft führen).

Im nächsten Jahr hören wir auch die, die uns nicht nach dem Mund reden und setzen uns mit unbequemen Wahrheiten auseinander. Sich wenigstens Gedanken über das zu machen, was zunächst unbequem erscheint, schadet nicht. Wir alle wissen: Leidensdruck gilt als die wichtigste Triebfeder für persönliche Veränderung…unangenehme Wahrheiten könnten deine Triebfeder für Programm-Optimierungen sein.  

Guter Vorsatz Nummer 8: Wir suchen uns Vorbilder
Was hat viele Kinder inspiriert, einen bestimmten beruflichen Weg einzuschlagen? Vorbilder! Meine waren im Übrigen Anke Engelke und Desirée Nosbusch… Im Sommer 1990 saß ich im selben Radiostudio, in dem Desirée Nosbusch ihre Medienkarriere begonnen hatte. Vorbilder helfen, Visionen auch.

Als ich Ende der 80er, Anfang der 90er mit Arno Müller arbeiten und im Gründungsteam von 104.6 RTL dabei sein durfte, hatte Arno ein Vorbild: Rick Dees von KIIS FM mit seiner Morningshow mit einem großen On Air Team, einem Verkehrshelikopter in der Luft und dem begnadeten Producer Dennis Clark im Background. Und er hatte eine Vision von einer solchen Show in Deutschland… Im Herbst 1991 war die erste deutsche Morgenshow mit einem großen On Air Team in der Luft, Dennis Clark war zwei Jahre später im Sender an Bord, der Verkehrsflieger folgte…Vorbilder und Visionen helfen…

Was könnte deine Vision für 2023 sein? Ich drücke die Daumen, dass du sie realisieren kannst.

Deine Yvonne

Den zweiten Teil gibt es im kommenden Monat.

Yvonne Malak
Das Moderationshandbuch: Alles, was Radio-Profis wissen müssen
201 Seiten
ISBN 3848782723
39,00 € Nomos

Yvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. März 2025.

Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/

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