UKW-Abschaltung in Norwegen: Privatsender in Oslo weigert sich seine Frequenzen aufzugeben – Update

Morgen findet die im Januar gestartete UKW-Abschaltung in Norwegen ihren Abschluss. In den letzten beiden verbliebenen Provinzen Troms und Finnmark, hoch im Norden, nehmen dann die Programme des öffentlich-rechtlichten NRK und die landesweiten Privatradios P4 und Radio Norge ihre UKW-Frequenzen außer Betrieb. Sie sind dann im ganzen Land terrestrisch ausschließlich via DAB+ zu empfangen. Norwegen ist damit das erste Land der Welt, das sich in weiten Teilen von UKW als Übertragungsweg für Radio verabschiedet hat.

Radio Metro-Sender wollen auf UKW bleiben
Bereits am 8. Dezember schalteten die kommerziellen Privatsender ihre UKW-Frequenzen in der Hauptstadt Oslo ab, die NRK-Programme waren dort schon seit Mitte September nur noch via DAB+ zu hören. Betroffen von der Umstellung sind eigentlich auch die lokalen Privatsender Radio Metro, Radio Rox und The Beat, die eine Senderfamilie bilden. Denn die Großstadtsender müssen – anders als die ländlichen Lokalsender – ebenfalls auf DAB+ umstellen. Doch die Radio Metro-Gruppe weigert sich ihre Osloer UKW-Frequenzen aufzugeben, alle drei Programme senden aktuell noch. Radio Metro beruft sich darauf, dass noch ein Verfahren bei der EFTA Surveillance Authority (ESA) anhängig ist, das die Parlamentsentscheidung kippen könnte. Norwegen ist zwar kein EU-Mitglied, aber Teil des europäischen Wirtschaftraums EFTA. Die in Brüssel beheimatete ESA überwacht, ob Regelungen in den EFTA-Staaten wie Norwegen mit den Prinzipien des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes kollidieren. Man warte auf die Entscheidung der ESA, heißt es von Radio Metro. Die norwegischen Lokalfunker vertreten seit Jahren den Standpunkt, dass die UKW-Abschaltung nicht mit europäischem Recht vereinbar sei und hatten sich schon mehrfach über ihren Verband vergeblich an die ESA gewandt. Aktuell geht es um den besonderen Fall von Radio Metro und die Regelung, dass die Lokalsender in Oslo, Bergen, Trondheim und Stavanger zu DAB+ wechseln müssen, alle anderen aber nicht. Die norwegische Politik hatte die Sonderregelung einst damit begründet, dass ein UKW-Verbleib den Großstadtsendern einen Vorteil gegenüber den landesweiten Mitbewerbern verschaffen würde. Die ESA prüft den Fall noch. Die norwegische Medienanstalt betrachtet trotzdem die aktuellen UKW-Ausstrahlungen der drei Metro-Programme als illegal und kündigte mittlerweile Sanktionen an.

Update 17.12.2017: Radio Metro hat mittlerweile die UKW-Frequenzen seiner drei Programme in Oslo abgeschaltet. Die Sendergruppe beugt sich damit den Regulierungsbehörden, die ein Strafgeld für jeden Tag, den die Frequenzen on air bleiben, angedroht hatten.

UKW-Abschaltung? Nicht ganz.
Ganz zu Ende ist die UKW-Ära in Norwegen allerdings auch nach dem heutigen Tag so oder so noch nicht, denn die meisten Lokalsender jenseits der Großstädte senden bis Ende 2021 weiter auf UKW. In Städten wie Oslo bleiben dazu einige nichtkommerzielle Sender („Nischenradios“) vorerst auf UKW. Außerhalb der Ballungszentren werden auch Radio Metro und The Beat ihre UKW-Frequenzen nicht so schnell abschalten. Norwegens drittgrößte Privatradiogruppe setzt wie gesehen eisern auf UKW.

Digitalradioprogramme im Aufwind – aber auch UKW-Lokalradios können profitieren
Und das nicht ganz ohne Grund. In Ost-Norwegen verzeichnet Radio Metro nach eigenen Angaben nach der Abschaltung der NRK-Programme in September markante Hörerzuwächse, in der Provinz Hedmark zum Beispiel um 48 Prozent. Doch das Bild bleibt ambivalent. Nach Zahlen aus dem September besitzen mittlerweile 84 Prozent der Norweger mindestens ein DAB+-Radio. Die Radionutzung insgesamt entwickelt sich nach dem Switchoff stabil, die Gattung büßt kaum Hörer ein. Positive Zahlen liefern auch die Digitalradioprogramme NRK P1+, P5 Hits und Radio Rock. Die ersteren verbuchen zwischen 200.000 und 300.000 Hörer täglich. 1,4 Millionen Norweger hören mittlerweile neue Radioprogramme, die es bisher auf UKW nicht gab. Diese kommen zusammen auf einen Marktanteil von rund 30 Prozent. Auch gaben die Musikstreamingangebote zuletzt in der Hörergunst nach, das breitere Radioangebot könnte hieran seinen Anteil haben.

UKW wird zur Spielwiese
Im UKW-Band entsteht nun viel Freiraum. Die ersten Piratenradios waren nach Medienberichten am Wochenende in Oslo bereits zu hören. Teilweise kündigten diese ihren Start schon – ohne Frequenznennung – im Vorfeld in der Tagespresse an. Die „Piraten“ wollen demnach gegen die UKW-Abschaltung protestieren. Auch Norwegens Medienregulierer haben die nun freien Frequenzen natürlich besonders im Blick. Der Wettlauf hat begonnen. Wie man den neuen Raum kreativ nutzen kann, zeigte auch Amnesty International. Die Gruppe machte vom 4. bis 8. Dezember in Oslo auf der freigewordenen Frequenz 91,9 MHz mit Sendungen auf die verzweifelte Lage einer in El Salvador inhaftierten Frau aufmerksam.

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