Der Umbau des türkischen Staates geht nach dem gescheiterten Putsch von Teilen des Militärs am vergangenen Freitag immer rasanter voran. Zehntausende Richter, Militärangehörige, Dekane, Rektoren, Lehrer und weitere Beamten mussten in den letzten Tagen gehen oder wurden verhaftet. Die „Säuberungen“, die Staatspräsident Erdogan noch in der Nacht auf Samstag ankündigte, haben jetzt auch den Mediensektor erfasst. Die türkische Medianstalt RTÜK hat auf einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung 24 mehreren Fernseh- und Radiosendern die Sendelizenz entzogen. Betroffen sind die Radioprogramme Kanal Türk Radyo, Burc FM, Samanyolu Haber Radyosu, Radio Mehtap, Radyo Haber Ego, Dünya Radyo, Radyo Kure, Berfin FM, Esra Radyo, Samanyolu Haber Radyosu und Radyo Samanyolu Haber Anadolu. Die Stationen stünden in Verbindung zur Bewegung des im amerikanischen Exil lebenden Predigers und früheren Erdogan-Weggefährten Gülen, welche die Regierung für den Putsch verantwortlich macht und als „terroristische Vereinigung“ bezeichnet.
Einige der Stationen standen schon zuvor unter Zwangsverwaltung . Kanal Türk und dessen Radioableger hatten zum Beispiel bereits im März auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Sendebetrieb einstellen müssen. Sie gehörten zur Koza-Ipek Mediengruppe um die Zeitungen Bugün und Milliyet, die der angesprochenen Gülen-Bewegung nahestand. Ende Oktober 2015 hatten Polizisten den Konzernsitz gestürmt und waren wie „Spiegel Online“ berichtet mit Wasserwerfen gegen Mitarbeiter vorgegangen. Anschließend hatten staatliche Treuhänder das Ruder bei dem zuvor regierungskritischen Verlagshaus übernommen. Die türkische Staatsanwaltschaft wirft der Mediengruppe Geldwäsche und besagte Kontakte zur Gülen-Bewegung vor.
Nachtrag 26.7.2016: Die Situation um die betroffenen Radiosender gestaltet sich im Detail recht verworren. Nach Berichten von vor Ort sind Radio Mehtap, Burc FM und Dünya Radyo definitiv seit dem 15.7. ohne Lizenz und die Sender wurden abgeschaltet. Das erwähnte Küre FM (Radyo Kure) ist wohl die Dachorganisation hinter den drei abgeschalteten Sendern und kein Programm. Samanyolu Haber Radyosu wurde bereits Mitte Januar geschlossen und durch Dünya Radyo ersetzt, das aber eventuell dessen Lizenzen nutzte. Berfin FM scheint ein Webangebot der Gruppe mit kurdischer Musik gewesen zu sein. Das unerwähnte Radyo Cihen, das ebenfalls zu dieser Gruppe zählte, wurde bereits im März abgeschaltet, soll aber seit einigen Tagen wieder in Istanbul auf 105,2 MHz zu hören sein, wie von dort berichtet wird. Kanal Türk Radyo schweigt wie erwähnt ebenfalls seit März, der Lizenzstatus ist unklar. Esra FM ist ein Lokalsender aus Van (101,5) – unklar, ob er noch auf Sendung ist.
Nachtrag 27.7.2016: Die staatliche Nachrichtenagentur „Anadolu“ meldet heute, die türkische Regierung habe die Schließung von 16 Fernsehsendern, 23 Radiostationen und 45 Zeitungen angeordnet.