Reichweiteneinbruch in Norwegen: Zentrumspartei fordert UKW-Comeback

In Norwegen werden erste Stimmen aus der Politik laut, die den UKW-Ausstieg zurückdrehen wollen. Das nordeuropäische Land hatte bis Ende 2017 als erster Staat in Europa seine landesweiten UKW-Netze abgeschaltet und diese durch DAB+ ersetzt. Anlass für die zunehmende Kritik sind die aktuellen Reichweitenzahlen. Diese offenbaren, dass in Woche 28 der wöchentlich ausgewiesenen Reichweitenmessung die Zahl der Radiohörer erstmalig unter 50 Prozent gefallen ist. In Woche 29 setzte sich der Abwärtstrend fort und es wurden 48,2 Prozent ausgewiesen. Die neuen Zahlen stellen einen historischen Tiefstwert für die Gattung Radio in Norwegen dar.

2017 lag man im Vergleich in Woche 29 bei 56,1 Prozent, 2016 bei 56,8 Prozent. Zu beachten ist, dass in Norwegen die Radioreichweiten im Sommer immer niedriger ausfallen als im übrigen Jahr, weil die Norweger dann ihren Urlaub im Ausland verbringen. In Woche 24 – vor dem alljährlichen Sommerquotenloch – lag die Gattung Radio in diesem Jahr bei 58,1 Prozent, während 2017 65,7 Prozent und 2016 69 Prozent gezählt werden konnten. Die Tendenz bleibt also ähnlich, nur auf einem höheren Niveau als im Hochsommer.

Die Senterpartiet, die bei der vergangenen Parlamentswahl auf 10,3 Prozent der Stimmen kam und damit die viertstärkste Parlamentsfraktion stellt, nahm den Rückgang der Hörerzahlen nun zum Anlass, die Wiederinbetriebnahme der landesweiten UKW-Netze zu fordern. In Ländern wie Schweden, Dänemark und Island, die UKW nicht abgeschaltet haben, lägen die Reichweiten der Gattung Radio bei um die 70 Prozent, führt sie zur Begründung ihrer Vorschlags an. Die Zentrumspartei ist eine grüne Partei der Mitte, die einst aus dem politischen Arm der norwegischen Bauernschaft entstanden ist. Sie versteht sich als Interessensvertretung des ländlichen Raums und ist eine strikte Gegnerin eines möglichen EU-Beitritts Norwegens. 2011 hatte sie im Parlament noch für den Umstieg zu DAB+ votiert. Ganz neu ist die Forderung nach einer UKW-Renaissance nicht, denn auch die rechtspopulistische Fortschrittspartei, welche die drittstärkste Fraktion im Parlament stellt und an der Regierung beteiligt ist, lehnt DAB+ weiterhin kategorisch ab. Aus ihren Reihen kam unlängst die Forderung, die Übergangsfristen für die Lokalsender und nichtkommerziellen Sender, die bis Ende 2021 auf UKW bleiben dürfen, zu verlängern.

Eine komplette Umkehr, wie sie nun die Zentrumspartei propagiert, sei nicht realistisch, heißt es vom Sendernetzbetreiber Norkring. Man könne das UKW-Netz nicht einfach wieder einschalten, die UKW-Sender seien längst ab- und auseinandergebaut, die Komponenten verwertet worden. Die neuesten Sender wurden – wie Kampanje.com berichtet – in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Plan ins afrikanische Malawi gebracht, wo sie die UKW-Infrastruktur des Entwicklungslandes verbessern sollen. Eines ist damit klar, ein Neuaufbau eines landesweiten UKW-Netzes in Norwegen würde eine teure Angelegenheit werden und dürfte damit nicht ernsthaft in Frage kommen.

Nun streiten sich die Akteure, was den Einbruch der Hörerzahlen herbeigeführt hat und wie dieser zu bewerten ist. Ist der Wechsel zu DAB+ die Hauptursache für die sinkenden Reichweiten? Haben zu viele Norweger ihre Autoradios noch nicht umgerüstet? Oder sind es doch die Auswirkungen der gestiegenen Konkurrenz durch Spotify & Co., die sich auch ohne den UKW-Ausstieg früher oder später gezeigt hätten?

Der norwegische öffentlich-rechtliche Rundfunk NRK erklärt, dass der Umstieg der Haupt-, aber nicht der alleinige Grund für die Verluste der Gattung sei. Der Umstieg gestalte sich schwieriger als zunächst gedacht, erklärte NRK-Mediendirektor Marius Lillelien gegenüber dem „Dagbladet“. Man nehme den Hörerrückgang ernst, bewerte die Lage aber nicht als „superdramatisch“ und arbeite daran die verlorengegangenen Hörer zurückzugewinnen. Gegen Alarmismus spricht sich auch Kenneth Andresen, der Chef von Norwegens größten Privatradio P4, aus. Der Umstieg brauche Zeit, noch seien nicht alle Radiogeräte, gerade auch in Ferien- und Wochenendhäusern und Hütten, ausgetauscht. Man sei mit der Entwicklung der neuen Digital-Programme, die P4 gestartet hat, durchaus zufrieden, schreibt er in einem Kommentar für den Branchendienst Kampanje.com.

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