Zum Jahreswechsel 2019/2020 steht in NRW eine hörfunktechnische Revolution an. Das seit 22 Jahren andauernde Pilotprojekt zur Erprobung des digitalen Hörfunks läuft aus. Die Medienkommission der LfM NRW wurde vor einer Woche darüber unterrichtet, wie die Zukunft aussehen könnte. Wie kompliziert das Verfahren ist, wurde den Mitgliedern der Medienkommission umfangreich geschildet.
Nordrhein-Westfalen ist mit 18 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste Bundesland in Deutschland. Dennoch sendet mit dem jeweiligen NRW-Lokalradio derzeit nur ein kommerzielles Hörfunkangebot über UKW, das noch nicht einmal flächendenkend in NRW zu empfangen ist. In den Kreisen Heinsberg und Olpe gibt es gar keinen kommerziellen Hörfunk. Konnten aufgrund der Frequenzknappheit bislang keine neuen Hörfunkprogramme auf UKW aufgeschaltet werden, stehen dem Bundesland seit der internationalen Genfer Wellenkonferenz im Jahr 2006 theoretisch ausreichend Frequenzen zur Verfügung, um über 100 Programme digital flächendeckend zu verbreiten. Jahrelang konnte die Einführung des digitalen Hörfunks in NRW mit dem Verweis auf mangelndes Interesse bei den Bedarfsabfragen hinausgezögert werden. Eine Wende brachte der im Oktober 2018 durchgeführte „Call for Interest“. Interesse an einem DAB+ Sendeplatz bekundeten 47 Anbieter, viele aus anderen Bundesländern.
Wer in NRW bereits Frequenzen besitzt, hat schlechtere Karten als neue Anbieter, erklärte Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, der Medienkommission. Dazu führte er das Beispiel der Frequenzvergabe an Metropol FM an. Die Medienkommission erteilte am 23. Januar 2015 den Zuschlag für die erste landesweite UKW-Hörfunkkette in NRW an Metropol FM. Unterlegen war damals u.a. das Programm der nordrhein-westfälischen Verleger dein.fm. Die unterlegenen Verleger klagten erfolgreich wegen eines Formfehlers gegen die Zuweisung. Grund für die Auswahl von Metropol FM waren die Vielfaltsregeln des Landesmediengesetzes. Eine größere Chance auf eine Sendelizenz erhalten Programmangebote, die es in NRW noch nicht gibt, sowie Programmveranstalter die noch nicht auf dem Markt tätig sind. Die Situation, dass alle in der Region tätigen Lokalradios die regionalen Multiplexe besetzen, soll es nicht geben, versicherte Schmid.
Die Vergabe der freien Kapazitäten wird nicht nach dem bestehenden Landesmediengesetz erfolgen. Eine Änderung der Gesetzeslage bereitet gerade der nordrhein-westfälische Landtag vor. Der Ausschuss für Kultur und Medien führte im Januar eine Anhörung zur Novelle des Landesmediengesetzes durch. Bis zum Sommer muss das Änderungsgesetz den Landtag passiert haben und im Gesetzesblatt erschienen sein. Erst dann werden in NRW die DAB+-Kapazitäten nach neuen Regeln ausgeschrieben.
Die Zeit drängt an Rhein und Ruhr, denn die Vorgängerregierung unter Führung von Hannelore Kraft (SPD) unterschrieb in ihrer Regierungszeit ein Dokument, welches das Ende des seit 1997 andauernden Pilotprojektes DAB/DAB+ zum 31.12.2019 besiegelt. Ab dem 1.1.2020 steht dem WDR der Kanal 11D allein zur Verfügung. Das Domradio aus Köln würde dann ohne Verbreitungsweg dastehen, wenn die Landesanstalt für Medien NRW nicht zügig eine Ausschreibung der freien Frequenzen durchführt. Doch noch rätselt man in Düsseldorf, wie man die Sendegebiete aufteilen soll. Während der vergangenen Sitzung der Medienkommission der Landesmedienanstalt NRW wurde den Kommissionsmitgliedern eine neue Karte mit einer neuen Aufteilung des Bundeslandes in Regionen gezeigt. Beim „Call for Interest“ im Oktober stellte die Medienanstalt NRW noch ein Konzept vor, das eine Unterteilung NRWs in neun Regionen vorsah. Zusätzlich wollte man bis zu zwei landesweite Multiplexe ausschreiben.
Nach der Auswertung der eingereichten Anfragen und vielen Gesprächen, kommt die Landesmedienanstalt nun zu dem Entschluss, dass eine Aufteilung des Flächenbundeslandes in sechs Regionen ausreicht. Dafür könnten möglicherweise auch zwei regionalisierte Multiplexe zur Verfügung gestellt werden, auch wenn die LfM NRW stets betont, dass die meisten Anbieter landesweit senden wollen.
Der vom Landtag NRW für die SPD in die Kommission entsandte Ernst-Wilhelm Rahe fragte warum der Kreis Warendorf aus dem Allotment Münsterland im neuen Plan nach Ostwestfalen-Lippe verschoben wurde. Der Direktor der Landesanstalt Tobias Schmid blieb ihm die Antwort schuldig. Das Lokalradio für Warendorf – Radio WAF – wird von der Bielefelder „audio media service Produktionsgesellschaft“ (AMS) vermarktet. AMS sorgt auch für die Ausstrahlung von Radio WAF auf UKW. In allen Presseberichten versicherte die audio media service bis jetzt, kein Interesse an DAB+ zu haben. Warum verschiebt die Landesmedienanstalt nun den Kreis Warendorf aus dem Münsterland nach Ostwestfalen? Man kann nur vermuten, dass das Gebiet für den Wirkungsbereich des Bielefelder Dienstleisters AMS passend gemacht wurde.
Auch im Bereich Niederrhein gibt es eine Änderung. Das von der Funke Mediengruppe betreute Lokalradio für den Kreis Wesel – Radio KW – rutscht in das Allotment für das westliche Ruhrgebiet, zu den anderen Lokalradios dieser Mediengruppe. Eine weitere Änderung betrifft das Allotment für das östliche Ruhrgebiet, das mit dem Gebiet für das Sauer- und Siegerland verschmolzen werden soll. Doch genaueres weiß man erst, wenn die LfM NRW die finalen Pläne vorstellen wird.
Während ihrer Sitzung am 15. März wird die Medienkommission darüber abstimmen, ob die vorgestellte Aufteilung Nordrhein-Westfalens in sechs Regionen in dieser Form an die Staatskanzlei NRW weitergeleitet wird. Die Staatskanzlei NRW wird die Frequenzen anschließend bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beantragen. Die BNetzA benötigt im besten Fall 3 bis 6 Monate, um die Frequenzen dem Land NRW zur Verfügung zu stellen. Danach haben die Medienanstalt NRW und der WDR noch die Möglichkeit einen Einspruch gegen die Zuweisung beim Ministerpräsidenten zu stellen, erst dann stehen die Frequenzen der Landesmedienanstalt zur Verfügung. Voraussichtlich vor den Sommerferien erfolgt dann eine Ausschreibung der freien Kapazitäten durch die LfM NRW. Im Spätsommer bzw. im frühen Herbst müssen die Programmveranstalter feststehen, denn diese müssen sich noch mit dem Netzbetreiber einig werden. Ein sportliches Programm, das bis jetzt aber als machbar angesehen wird.
Unklar ist, welche Strategie der Lokalfunk in NRW verfolgt. Es häufen sich Forderungen der Vertreter der NRW-Lokalradios, die Medienanstalt solle die Parallelausstrahlung in irgendeiner Form bezuschussen. Schmid forderte die Lokalradios auf, mitzuteilen welche DAB+-Verbreitungskosten sie selbst tragen können. Der Lokalfunk müsse mit einem Vorschlag kommen, fordert der Direktor der Medienanstalt. Mehrfache Anfragen der Medienanstalt NRW an den Lokalfunk, ob der Lokalfunk sich an DAB+ beteiligen wolle, seien mit Nein beantwortet worden. „Wir haben keine Zeit mehr“, betonte Schmid, während der Sitzung der Medienkommission, mehrfach – nicht nur an die Mitglieder der Kommission gerichtet, sondern auch zu den Lokalfunkvertretern in den Besucherreihen.