Am 3. Juli 2014 wurde im Düsseldorfer Landtag in dritter Lesung mit den Stimmen von SPD, Grünen und Piraten die Neufassung des nordrhein-westfälischen Landesmediengesetzes beschlossen. Am 2. Juli hatten die drei Fraktionen noch einen Änderungsantrag eingebracht, der kurz vor der Verabschiedung einige grundlegende Änderungen mit sich brachte.
LfM-Direktor muss künftig Volljurist sein
Eine der noch kurzfristig eingefügten Änderungen kommt auf den ersten Blick harmlos daher. Sie betrifft die Führung der Landesanstalt für Medien NRW (LfM): „Die Direktorin oder der Direktor muss die Befähigung zum Richteramt haben…“ heißt es im neu gefassten §100. Pikant daran, der amtierende LfM-Direktor Dr. Jürgen Brautmeier ist promovierter Historiker und kann nach dieser Änderung nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren. Brautmeier hat sich in einer Stellungnahme auf der LfM-Webseite geäußert.
Die meisten Landesmediengesetze anderer Bundesländer verwenden eine Formulierung nach der entweder der Direktor oder sein Stellvertreter die Befähigung zum Richteramt haben sollen. Eine Muss-Bestimmung ist aber auch kein Novum, sie findet sich zum Beispiel im sachsen-anhaltischen Mediengesetz.
Bürgerfunk wieder eine Stunde früher
Der Bürgerfunk in den NRW-Lokalradios wird künftig werktags zwischen 20 und 21 Uhr senden, eine Stunde früher als nach der aktuell gültigen Regelung. Die Lokalradios waren für eine Beibehaltung der bisherigen Lösung, der Bürgerfunk wäre gerne schon um 19 Uhr auf Sendung gegangen.
Die LfM kann nach der Novelle jetzt auch ein Lehr- und Lernradio aufbauen, vergleichbar zum TV-Angebot nrwision. Zusätzlich soll eine Webplattform für Beiträge von Bürgermedien entstehen.
Auch kleine Aspekte des Hörfunks werden im Landesmediengesetz geregelt. So können Veranstaltungsradios künftig für einen Zeitraum von maximal einem Monat statt bisher zwei Wochen lizenziert werden. Für den Einrichtungsfunk wurde das Werbeverbot aufgehoben.
Rechtssicherheit für laufende UKW-Ausschreibung
Für die laufende Ausschreibung einer landesweiten UKW-Senderkette wurde Rechtssicherheit durch eine Übergangsregelung geschaffen, für sie gilt noch die alte Gesetzesfassung.
Privatradios bei UKW-Frequenzvergabe mit Vorrang
Bei der Vergabe von neu koordinierten oder frei werdenden UKW-Frequenzen genießen künftig die privaten Radiosender, vertreten durch die LfM, Vorrang. Der Grundversorgungsauftrag von WDR und Deutschlandradio sei erfüllt, stellt der Gesetzestext fest. Diese Regelung zielt augenscheinlich auf den Ausbau der besagten gerade ausgeschriebenen landesweiten privaten Senderkette. Für WDR und Deutschlandradio wird in Sachen UKW-Frequenzen der Status quo zum Stichtermin 31. Dezember 2013 festgeschrieben. Vertreter der beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hatten in ihren Stellungnahmen, auf Versorgungslücken bei Funkhaus Europa und die lückenhafte Versorgung der beiden DRadios hingewiesen. Ausgenommen bleiben „bauliche oder sonstige technische Veränderungen […], die eine Neuzuordnung der Übertragungskapazitäten erforderlich machen“. In Nordrhein-Westfalen weckt besonders die aktuell noch von BFBS, dem Radio der britischen Streitkräfte, genutzte reichweitenstarke UKW-Frequenz 103,0 MHz in Bielefeld auf Begehrlichkeiten.
Beteiligungsgrenze im Lokalfunk bleibt nun doch
Umstritten war auch eine weitere zuerst vorgesehene Änderung, die Rot-Grün und die Piraten in ihrem Änderungsantrag wieder zurückgenommen haben. So bleibt die Beteiligungsgrenze von 75% von Verlagen an den Betriebsgesellschaften (BG) des NRW-Lokalfunks aus „Vielfaltsgesichtspunkten“ bestehen, 25 Prozent an den BGs liegen damit weiterhin bei den jeweiligen Kommunen im Sendegebiet. Hier hatte es Wünsche gegeben, dass sich klamme Kommunen von ihren Anteilen trennen können und die Grenze zu einer Kann-Bestimmung aufgeweicht werden sollte. Von diesen Plänen wurde Abstand genommen.
Beteiligungslimit für Hörfunk kann umgangen werden
Änderungen in letzter Minute gab es auch noch bei den Beteiligungsgrenzen für große Medienkonzerne. Hier gilt: „Ein Unternehmen, das mit ihm zurechenbaren Programmen im Durchschnitt eines Jahres im Fernsehen bundesweit einen Zuschaueranteil von mindestens 15 vom Hundert erreicht, darf sich an Rundfunkveranstaltern nur mit weniger als 25 vom Hundert der Kapital- und Stimmrechtsanteile beteiligen…“ Im Gesetz stand bisher 20 Prozent, die Quote wird also verschärft. Allerdings wurde im Gegenzug mit dem Änderungsantrag eine entscheidende Differenzierung zwischen Fernsehen und Hörfunk neu eingebaut. Die Beteiligungsgrenze kann bei Radiosendern umgangen werden, wenn zum Beispiel ein Programmbeirat eingerichtet wird, Drittsenderzeiten vereinbart oder Verpflichtungszusagen getroffen werden. Begründet wird dieser Schritt mit der „graduell geringeren Suggestivkraft des Hörfunk“. Eine solche Unterscheidung zwischen Fernsehen und Hörfunk war in einer Anhörung des Medienausschusses des Landtags durch den Vertreter der RTL Group angeregt worden. RTL ist im Gegensatz zu dem zweiten Akteur, den diese Quote betrifft, – ProSiebenSat.1 – auch im Hörfunkmarkt aktiv.
Anreizregulierung
Die LfM wird bei künftigen Ausschreibungen von Frequenzen oder der Belegung analoger Kabelanlagen verpflichtet, „im Rahmen ihrer Vielfaltsentscheidung dem Gedanken der Anreizregulierung Rechnung zu tragen“. Damit sollen Spartenformate bei Ausschreibungen bessere Chancen als bisher erhalten. Der Gesetzgeber gibt damit der LfM die Möglichkeit aktiv Anreize zu setzen, „mit denen es für Inhalteanbieter interessant wird, Angebote, denen eine besondere Bedeutung im Hinblick auf Vielfalt zukommt, zu schaffen“.
Lokaljournalismus-Stiftung kommt
Auch das umstrittene Lieblingsprojekt der Landesregierung ist nun verankert – die staatsferne „Stiftung Partizipation und Vielfalt“, die den darbenden Lokaljournalismus unterstützen soll. Sie wird mit jährlich 1,6 Millionen Euro aus dem Etat der LfM – und damit aus den Rundfunkbeiträgen – finanziert werden. Die Stiftung soll zum Beispiel Recherchestipendien vergeben, die Weiterbildung von Journalisten unterstützen oder „digitale Publikationsstrukturen für lokale und regionale journalistische Angebote“ aufbauen helfen. Wie staatsfern eine solche Stiftung am Ende sein kann, wird gerade medial diskutiert. Die Stiftung soll die Lücke füllen, die durch geschlossene oder unterfinanzierte Lokalredaktionen entstanden ist und Qualitätsjournalismus fördern. Die Opposition fürchtet trotz der postulierten Staatsferne eine indirekte Einmischung der Landespolitik und sieht die Unabhängigkeit der Medien in Gefahr.
Medienkommission – Mehr Mitglieder, Versuch der Dynamisierung
Die Medienkommission wird von bisher 28 auf 41 Mitglieder kräftig aufgestockt. Um dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum ZDF-Staatsvertrag Folge zu leisten und eine Dynamisierung der Gremien zu ermöglichen, werden fünf Plätze nicht an vorher festgelegte gesellschaftliche Gruppen und Verbände vergeben. Sie sollen stattdessen im Rahmen eines Bewerbungsverfahren mit 2/3-Mehrheit vom Landtag an interessierte Gruppen verteilt werden. Auf einen weiteren Platz können sich zudem Einzelpersonen bewerben, hier trifft die Medienkommission in geheimer Wahl die Auswahlentscheidung.
Acht Mitglieder entsendet der Landtag, 25 kommen von gesellschaftlichen Gruppen und Interessenverbänden. Wieder mit dabei sind die Bürgermedien – der Landesverband Bürgerfunk NRW (LBF), die Interessengemeinschaft gemeinnütziger Rundfunk (IGR), der Landesverband Offener Kanäle NRW und die Campusradios NRW e.V. haben einen gemeinsamen Sitz in der neuen Kommission. Die zum 1. Juli 2014 ausgelaufene Amtszeit der Medienkommission wird übergangsweise bis zum 1. März 2015 verlängert.
Landesmedienanstalt zuständig für Telemedienüberwachung – Netzneutralität im Gesetz verankert
Die Telemedienüberwachung, also von Webinhalten, wird bei der LfM konzentriert, bisher lag sie für Nordrhein-Westfalen bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Der LfM wird zudem der Handlungsauftrag mit auf dem Weg gegeben, Maßnahmen „zur Sicherstellung der Netzneutralität„ zu treffen. Entsprechend wird der Forschungsauftrag der LfM um das Forschungsfeld Netzneutralität erweitert.