In diesen Wochen feiert der Übertragungsstandard DAB+ seinen zehnjährigen Geburtstag. Seither wird über eine mögliche Abschaltung von UKW diskutiert. Wir hatten die Möglichkeit mit Martina Rutenbeck, Geschäftsführerin der DIVICON MEDIA, ein Interview zum Thema Verbreitungswege und Technologieoffenheit zu führen.
radioWOCHE: Was lief in den letzten 10 Jahren gut und was lief nicht gut und was antworten Sie denen, die noch immer die UKW-Abschaltung fordern?
Rutenbeck: Aus heutiger Sicht, und das zeigen sowohl die Zahlen des aktuellen Digitalisierungsberichtes Audio als auch Initiativen im Markt, entwickelt sich DAB+ zu einer Erfolgsgeschichte. Klar ist jedoch auch, dass die unterschiedlichen Audio-Verbreitungswege und Standards nach wie vor im Wettbewerb miteinander stehen und sich die Anteile dynamisch verändern. Daher ist eine Diskussion um Abschaltung nachvollziehbar. Sie sollte aber von allen Seiten konstruktiv geführt werden, da hierbei ganz unterschiedliche Voraussetzungen, Geschäftsmodelle und Vorstellungen aufeinanderprallen. Es gibt in dieser Frage kein richtig oder falsch. Vielmehr müssen Veranstalter bzw. Inhalteanbieter ihren unternehmerischen Weg wählen und je nachdem wie erfolgreich die einzelnen Modelle sind, wird sich auch die Frage einer Abschaltung, eines Parallelbetriebs oder der Etablierung neuer Standards entscheiden.
radioWOCHE: Worin unterscheiden sich die Sichtweisen von Veranstaltern und Dienstleistern?
Rutenbeck: Im Umfeld dieses heterogenen, sich dynamisch verändernden Empfangsspektrums können Veranstalter weiterhin durchaus zu unterschiedlichen strategischen Entscheidungen gelangen. Damit einher geht eine von außen oft als unflexibel bewertete Einstellung, obwohl z.B. das Weiterbetreiben und Festhalten an einem bewährten UKW-Verbreitungskonzept unternehmerisch die beste Option ist. So entsteht Pluralität im Hörfunkmarkt – eine spannende Sache. Diese erfordert jedoch für uns als Dienstleister eine sehr breite Ausrichtung auf möglichst viele Szenarien – eine zu enge Fokussierung auf nur einen Empfangsweg oder das Ausschließen wachsender Verbreitungswege gehören nicht zur DIVICON DNA. Aus diesem Grund bieten wir unseren Kunden auch weiterhin UKW, DAB+ und auch Streaming-Lösungen, obwohl oder gerade weil sich diese Übertragungsstandards im Markt gegenüberstehen.
radioWOCHE: Weshalb würden Sie Programmveranstaltern empfehlen gerade jetzt in DAB+ zu investieren?
Rutenbeck: Angesichts der steigendenden Zahl an DAB+ Haushalten, der Digitalradiopflicht in Neuwagen und einer Gerätepopulation von fast 22 Millionen gehört DAB+ zunächst auf die Agenda jedes Programmveranstalters in Deutschland. Mit dem 2. DAB+ Bundesmux und demnächst dem DAB+ Landesmux in NRW sind zwei enorm reichweitenstarke Plattformen hinzugekommen, die als eine Art Blaupause für die DAB+ Verbreitung stehen können. Auf Landesebene werden wir in Zukunft weitere solcher Konzepte sehen und Programmveranstalter werden in jedem Fall prüfen, ob sie diese Gelegenheit vorbeiziehen lassen.
radioWOCHE: In Thüringen bereiten Sie gerade den Start der ersten von DIVICON betriebenen DAB+ Plattform vor. Planen Sie ähnliche Plattformen auch in weiteren Regionen?
Rutenbeck: Wir sind mit der DIVICON MEDIA ja bereits an vielen DAB+ Projekten beteiligt, u.a. eben auch beim genannten 2. DAB+ Bundesmux und dem NRW Landesmux. Seit der Gründung stehen wir für Wettbewerb im Sendernetzbetrieb und bieten den Veranstaltern eine technologisch moderne, zuverlässige sowie in allen Belangen innovative Möglichkeit, ihren Sendebetrieb, das Monitoring und den Service durch uns erbringen zu lassen. Daher werden wir uns natürlich an weiteren Ausschreibungen beteiligen und mit umfassender Kompetenz überzeugen.
radioWOCHE: Wo sehen Sie UKW, DAB+ und IP in fünf Jahren?
Rutenbeck: Die digitalen Verbreitungswege werden weiter an Bedeutung gewinnen und sich Anteile am Mix sichern. Doch wir gehen auch davon aus, dass alle genannten Verbreitungsoptionen weiterhin parallel existieren und eine marktrelevante Hörerschaft erreichen. Abhängig von den gewählten Geschäftsmodellen der Anbieter spricht vieles für die langfristige Fortführung von echtem linearem Broadcast, während insbesondere die jüngeren Zielgruppen diesen Teil des Marktes weniger beanspruchen werden. Für unser Unternehmen spielt das salopp gesagt gar keine so große Rolle. Denn wir sind in der Lage, mit einem guten Mix aus Erfahrung und Innovation sämtliche Szenarien zu realisieren.