„Ich wollte nicht einfach einen Film-Batman kopieren“ – ein Gespräch mit Nilz Bokelberg über „Batman unter Toten“ und das Potenzial von Fiction-Podcasts

In diesem Monat hat Spotify seinen neuen Podcast „Batman unter Toten“ gestartet. Der von der Leinwand vertraute Held soll nun auch weltweit Podcast-Fans begeistern. Die Originaldrehbücher für den ambitionierten Fiction-Podcast stammen vom US-Drehbuchautor David S. Goyer, der bereits an etlichen Batman-Kinofilmen mitgewirkt hat. „Batman unter Toten“, das exklusiv auf Spotify verfügbar ist, wurde in insgesamt acht Sprachen übersetzt und parallel für die jeweiligen lokalen Märkte adaptiert. Am 3. Mai gingen demnach nicht nur die Auftaktfolgen der deutschen Version online, sondern auch die lokalen Fassungen für Brasilien, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Mexiko und die USA.

„Batman Unburied“, wie das Format im englischsprachigen Markt heißt, ist der erste Podcast, den Spotify, Warner Bros. und DC im Rahmen einer auf mehrere Jahre angelegten Partnerschaft umgesetzt haben. Hinter „Batman unter Toten“ verbirgt sich ein Psychothriller. In der Audio-Serie begegnet uns Bruce Wayne alias Batman als forensischer Pathologe, der es in Gotham mit einem schauerlichen Serienmörder, dem Harvester, zu tun bekommt. Für die deutsche Version konnten bekannte Stimmen gewonnen werden: Murathan Muslu spricht Bruce Wayne alias Batman, Alexander Scheer den Harvester. In weiteren Rollen sind u.a. Justus von Dohnányi, Lavinia Wilson, Frederick Lau und Christoph Maria Herbst zu hören.

„Batman unter Toten“ wurde in Zusammenarbeit mit der Berliner Podcastfirma Pool Artists produziert. In Deutschland hat Nilz Bokelberg den Batman-Podcast für das lokale Publikum als Regisseur umgesetzt. Wir haben mit ihm über seine Arbeit an „Batman unter Toten“, die generellen Herausforderungen bei der Umsetzung von Audiostoffen und über das Potenzial, das in Fiction-Podcasts liegt, gesprochen – und darüber, was das Radio vielleicht in Sachen Wort in den vergangenen Jahren versäumt hat.

Bokelberg, in den 1990ern als VIVA-Moderator bekanntgeworden, hat szenische Regie studiert. Er ist selbst Podcaster („Gästeliste Geisterbahn“, „NBE – Die Nilz Bokelberg Erfahrung“, „Kill Royal“) und hat 2017 u.a. zusammen mit Berni Mayer und seiner heutigen Ehefrau, der Podcast-Produzentin Maria Lorenz-Bokelberg, für Antenne Bayerns Podcast-Label Lautgut den True Crime-Podcast „Dunkle Heimat“ realisiert. Für Spotify hat Bokelberg zudem bereits 2020 den US-Podcast „Sandra“ als „Susi“ fürs deutsche Publikum adaptiert.

Nilz Bokelberg, Bild: Nilz Bokelberg/Patricia Haas

radioWOCHE: Was ist – im Vergleich zur Arbeit für Film und Fernsehen – das Besondere bei der Regiearbeit für einen fiktiven Podcast?

Nilz Bokelberg: Die Herausforderung bei einer Audio- oder Podcast-Regie liegt darin, dass mir die Bildebene fehlt, die ich aber trotzdem irgendwie herstellen muss. Ich muss dafür sorgen, dass die Hörerinnen und Hörer diese Bildebene vor Augen haben oder zumindest sich eine erschaffen können, die sich ungefähr mit der deckt, die ich im Sinn habe. Es ist natürlich aufwändiger, das Bild zu inszenieren, aber es bietet für mich als Regisseur gleichzeitig eine größere Sicherheit, weil ich den Blick der Zuschauerinnen und Zuschauer genau dahin lenken kann, wo ich ihn haben möchte. Bei einem Podcast muss ich versuchen dies durch Sprache, Betonung, Pausen, Geräusche und Atmosphäre zu erschaffen, damit sich die Hörerinnen und Hörer jederzeit im Stück zurecht finden können und immer genau wissen, wo wir gerade sind und wer spricht.

radioWOCHE: Auf was habt ihr bei der Auswahl der Sprecherinnen und Sprecher für „Batman unter Toten“ besonders Wert gelegt?

Nilz Bokelberg: Man muss Stimmen besetzen, die nicht nur gut zu den Rollen passen, sondern die sich auch gut unterscheiden lassen. Es ist schon bei „Laber-Podcasts“ ein Problem für die Orientierung, wenn sich die Hosts von der Stimme her zu ähnlich anhören – bei einem fiktiven Podcast ist es noch unpraktischer und deshalb ein Kriterium auf das wir ganz besonders achten. Die Umsetzung der verschiedenen internationalen Podcast-Versionen ist weltweit gleichzeitig abgelaufen, deshalb konnte ich mich bei der Auswahl der Sprecherinnen und Sprecher zum Beispiel nicht an den Stimmfarben der englischen Version orientieren. Ich bin mit Batman aufgewachsen, kenne die ganzen Filme. Daraus entsteht eine gewisse Vorstellung, welche Schauspielerinnen und Schauspieler welche Rollen gut verkörpern können. Die Besetzungen haben wir dann im Team mit der Produktionsfirma Pool Artists und Spotify entschieden.

Nilz Bokelberg und Frederick Lau, Bild: Spotify/Timotheus Theisen

radioWOCHE: Wie genau läuft die Adaption und Lokalisierung für den deutschen Markt ab, welche Spielräume hat man hierbei als Regisseur?

Nilz Bokelberg: Wir haben für die Übersetzung die Originaldrehbücher von DC aus den USA bekommen, die David S. Goyer geschrieben hat, der schon an „Dark Knight“ beteiligt war und sich wirklich gut im Batman-Universum auskennt. Da der Riddler Teil der Geschichte ist, die wir im Podcast erzählen, standen wir zum Beispiel vor der Herausforderung, die Rätsel, die er immer wieder aufgibt, so ins Deutsche zu übersetzen, dass der Sinn erhalten bleibt, es sich aber trotzdem reimt und nach Riddler klingt. Was die Freiheiten bei der Regie betrifft, bin ich natürlich an die Bücher gebunden, habe aber Freiraum im Sinne einer Interpretation, wie spricht er das, wer spricht wie mit wem, wo wird die Stimme aufgeregter. Es gibt tatsächlich einige Szenen, wo wir uns, was gewisse Emotionen der Figuren betrifft, von der englischen Version unterscheiden.

„Die Figur kann im Podcast ruhig ein eigenes Flair, eine eigene Stimmung haben – solange es schlüssig bleibt“

Nilz Bokelberg

radioWOCHE: Batman ist ein Stoff zu dem die meisten Hörerinnen und Hörer sofort Bilder im Kopf haben dürften, macht das eine Audio-Umsetzung einfacher? Oder stellt es eine besondere Herausforderung dar, die aus den Filmen und Comics vertraute Batman-Welt als Podcast zu reproduzieren?

Nilz Bokelberg: Ich bin da sehr entspannt und angstfrei drangegangen. Für mich – Jahrgang 1976 – war der Michael Keaton-Batman der erste große Batman im Kino – der hat mich damals umgehauen. Seitdem habe ich zahlreiche weitere Batmans im Kino erlebt, die alle eine ganz unterschiedliche Tonalität hatten – von den Comics gar nicht anzufangen. Die Batman-Figur hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wandlungen durchgemacht, sich immer wieder neu erfunden. Ich wollte nicht einfach einen Film-Batman kopieren, die Figur kann im Podcast ruhig ein eigenes Flair, eine eigene Stimmung haben – solange es schlüssig bleibt.

„Es ist eine Stärke von ‚Batman unter Toten‘, dass die Batman-Mythologie auf den Kopf gestellt wird“

Nilz Bokelberg

radioWOCHE: An welche Hörerinnen und Hörer richtet sich „Batman unter Toten“?

Nilz Bokelberg: Es ist eine Stärke dieses Podcasts und der Drehbücher, dass die Mythologie von Bruce Wayne und Batman, durch die ganzen Haken, die die Handlung schlägt, so auf den Kopf gestellt wird, dass man sich ein Stück weit von den eigenen Erwartungen an Batman frei machen muss. Das macht den Podcast einerseits attraktiv für Batman-Fans, denen nochmal ein ganz anderer Take auf die Geschichte von Batman eröffnet wird. Gleichzeitig ist es auch interessant für Leute, die sich noch gar nicht mit Batman beschäftigt haben, weil sie hier einen sehr spannenden Thriller geboten bekommen, mit dem sie in die Mythologie von Batman einsteigen können.

Murathan Muslu, Bild: Spotify/Timotheus Theisen

radioWOCHE: Ist das Sounddesign in allen internationalen Versionen des Podcasts gleich?

Nilz Bokelberg: Wir haben mit „We are Producers“ zusammengearbeitet, die für uns den Schnitt, die Aufnahme und das Sounddesign gemacht haben. Es gibt eine internationale Sound-Basis, die an alle ausgeliefert und dann angepasst wurde. Weil die Dialoge im Deutschen oftmals länger sind, braucht es gute Soundengineers, die es schaffen die Atmosphäre zu strecken oder zu kürzen.

radioWOCHE: Beim Reinhören in die ersten Folgen ist mir aufgefallen, dass neben den szenischen Elementen „Batman unter Toten“ auch stark über Dialoge erzählt wird, was hat es damit auf sich?

Nilz Bokelberg: Beim Schreiben von Audio-Stücken steht man immer vor der Entscheidung, ob man eine Erzähler*innenfigur wählt, die uns die Szenerie beschreibt und uns durch führt, oder, ob man es ohne Erzähler*innenfigur löst – dann ist man darauf angewiesen, über Dialoge den Raum zu erzählen. Ich finde, es ist bei „Batman unter Toten“ gut gelungen auf eine Erzähler*innenfigur zu verzichten und stattdessen zu versuchen alles über den Dialog in Kombination mit den Geräuschen zu erzählen.

„Ich glaube, dass Podcasts im fiktiven Audio-Bereich im Moment das etwas aufregendere, vielleicht sogar etwas mutigere Medium sind“

Nilz Bokelberg

radioWOCHE: Hörspiele sind bereits lange etabliert, welche neuen Impulse können fiktive Podcasts setzen? Welches Potenzial steckt in fiktiven Podcasts?

Nilz Bokelberg: Ich glaube, dass der fiktive Podcast eine Riesenchance ist, mehr Leute dafür zu begeistern, Geschichten audiomäßig zu erzählen. Podcasts bieten Raum für serielles Erzählen, man ist freier, auch was die Erwartungshaltung der Hörerinnen und Hörer anbelangt. Podcast fühlt sich deshalb mehr nach Netflix an als sich ein Hörspiel nach Netflix anfühlt. Es gibt natürlich auch tolle Hörspiele. Aber ich glaube, dass Podcasts im fiktiven Audio-Bereich im Moment das etwas aufregendere, vielleicht sogar etwas mutigere Medium sind. Die Podcast-Form hält für das fiktive Erzählen ganz viel bereit, weil sie auch Mischformen zulässt und sie nochmal ein anderes Publikum erschließt, das sich vielleicht nicht in Audio- und Mediatheken nach Hörspielen umguckt, sondern grundsätzlich am Medium Podcast interessiert ist.

radioWOCHE: Was ist genau unter Mischformen zu verstehen?

Nilz Bokelberg: Ich mache zum Beispiel auch „Kill Royal“, einen True Crime-Podcast mit Berni Mayer, in dem es um historische, royale Verbrechen geht. Da es natürlich meistens keine Tondokumente gibt, verarbeiten wir zur Illustration dafür gewisse Szenen in Sketchen, was ja auch eine Form von fiktivem Erzählen ist. Podcast ist immer noch, auch wenn es so groß geworden ist, ein sehr junges Medium in Deutschland. Ich glaube, dass sich noch ganz viele neue Formen finden werden. Das Medium hat sich etabliert, jetzt fangen die Leute in einem nächsten Schritt an die Grenzen auszuloten.

Nilam Farooq spricht Renee Montoya, Bild: Spotify/Timotheus Theisen

radioWOCHE: Kann eine große strahlkräftige Marke wie Batman vielleicht als Türöffner für fiktive Podcasts fungieren?

Nilz Bokelberg: Es wäre zu wünschen, das hoffe ich sehr. Ich hoffe auch, dass Batman ein Türöffner für weitere DC-Podcasts wird. Im DC-Universum gibt es noch so viele aufregende Helden oder auch Anti-Helden mit und über die man Podcasts machen könnte – in den unterschiedlichsten Podcast-Formen. Ich glaube, dass so ein Batman-Podcast dafür sorgen kann, dass viele sehen, dass man auch andere Stoffe als Podcast erzählen kann und sich ein bisschen mehr aus der Deckung wagen.

„Durch den Erfolg von Podcasts ist überdeutlich geworden, dass es einen großen Wunsch nach Wort gibt“

Nilz Bokelberg

radioWOCHE: Du nennst serielles Erzählen als einen zentralen Aspekt von (fiktiven) Podcasts. Wenn man ein bisschen in die Radiogeschichte zurückschaut, gab es so etwas früher durchaus auch im Radio.

Nilz Bokelberg: Klar, viele Dinge, die es nun als Podcast gibt, hat Radio früher schon gemacht. Im Privatradio wird aber immer öfter gesagt: die Leute wollen kein Wort, die Leute wollen Musik hören. Deshalb hat das Radio – das Privatradio, aber zum Teil auch das öffentlich-rechtliche Radio – den Bereich Wort in den vergangenen Jahren ein bisschen vernachlässigt. Und das fällt dem Radio meiner Ansicht nach nun ein wenig auf die Füße. Durch den Erfolg von Podcasts ist überdeutlich geworden, dass es durchaus einen großen Wunsch nach Wort gibt – wenn über Dinge gesprochen wird, die die Leute wirklich interessieren.

Bild: Spotify



Neue Folgen von „Batman unter Toten“ erscheinen immer dienstags. Aktuell stehen bereits vier von den geplanten zehn Episoden online.

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