Wie geht es weiter mit DAB+ in Nordrhein-Westfalen?

Frequenzen sind wie Erz oder Kohle Ressourcen, die nur begrenzt verfügbar sind. Für deren Nutzung erteilen die Bundesländer Konzessionen. Am 23. Februar 2018 hat die Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) einstimmig das Düsseldorfer MEHR! Radio zugelassen, allerdings ohne ihm parallel eine solche Frequenz bzw. entsprechende Sendekapazitäten zuzuteilen.

Bedarfsabfrage ab Oktober

„Nach den Plänen der LfM würde nach der Sommerpause gerade mal der Grundstein für ein Konzept 2022 vorliegen. Später könnten Gespräche mit allen Beteiligten folgen. Und auch danach weiß die LfM offenbar nicht, wie es genau weitergeht“, werfen die MEHR! Radio-Macher, die ein Metropolenradio für die NRW-Landeshauptstadt planen, in ihrer Pressemitteilung der Medienanstalt vor. LfM-Pressesprecher Peter Widlok konkretisiert gegenüber radioWOCHE.de die Pläne der NRW-Medienhüter: „Um bedarfsgerecht die Zuordnung von Übertragungskapazitäten für das gesamte Land NRW beantragen zu können, wird die Medienanstalt NRW zum Oktober 2018 eine neue Bedarfsabfrage starten. Der solchermaßen ermittelte Bedarf wird in eine konkrete Anmeldung von Versorgungsbedarf münden. Sofern die Bundesnetzagentur (BNetzA) diesen Bedarf decken kann, werden anschließend dem Land NRW entsprechende Übertragungskapazitäten zur Verfügung stehen, die von der Medienanstalt NRW nach Zuordnung ausgeschrieben werden.“

Einen genauen Zeitplan nennt der Sprecher der Medienanstalt jedoch nicht und verweist auf die anstehende Infoveranstaltung zur Zukunft des Hörfunks in NRW am 25. September. Dann sollen die Erkenntnisse einer neuen Goldmedia-Studie vorgestellt werden, die im Auftrag der LfM erstellt wurde. In der Studie werden die ökonomischen und technischen Entwicklungen der verschiedenen Verbreitungswege von Radioangeboten (UKW, DAB+ und Streaming) für die nächsten fünf bis zehn Jahre prognostiziert. Sie soll insbesondere Auswirkungen auf künftige Geschäftsmodelle aufzeigen und ihre Ergebnisse sollen den Radioveranstaltern als Entscheidungshilfe dienen, um sich für die Zukunft wettbewerbsfähig aufzustellen, teilte die LfM mit.

NRW nimmt Schlüsselrolle ein

Für die Entwicklung von DAB+ in Deutschland ist Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Millionen Einwohnern von großer Bedeutung. Die medienpolitische Ausgangslage an Rhein und Ruhr ist allerdings eine andere als in Bundesländern wie Berlin, Hamburg, Bayern oder Sachsen. NRW hat auf UKW ein ganz eigenes Privatrundfunkmodell umgesetzt, bei dem es 44 Lokalsender gibt, die von Radio NRW aus Oberhausen ein Rahmenprogramm zugeliefert bekommen. Das System schafft Arbeits- und Ausbildungsplätze vor Ort und gewährleistet die gleichmäßige Präsenz auch in ländlichen – wirtschaftlich weniger attraktiveren – Regionen. Das wird allerdings dadurch erkauft, dass es für die rund 18 Millionen Nordrhein-Westfalen an ihrem jeweiligen Wohnort – auch in Großstädten wie Düsseldorf oder Köln – nur ein Privatradio gibt. Das Digitalradio DAB+, welches mehr Sendekapazitäten bietet, stellt dieses Lokalradiomodell nun indirekt in Frage und die NRW-Lokalradios und die NRW-Medienpolitik vor die Herausforderung, wie man mit dieser eigentlich unerwünschten Frequenzvermehrung umgehen soll.

DAB+: Die Gegensätze zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen

Das nordrhein-westfälische Landesmediengesetz gewährt dem Lokalfunk Vorrang. So wurden bis jetzt in NRW nur 43 Prozent der dem Bundesland zustehenden DAB+-Frequenzen abgerufen, davon nur 14 Prozent für NRW-Hörfunkprogramme und 29 Prozent für bundesweite Programme. Bayern nutzt bereits 86 Prozent seiner Ressourcen, antwortete die Bayerische Staatskanzlei auf Nachfrage. Die Unterschiede zwischen den größten deutschen Flächenbundesländern könnte nicht größer ausfallen.

Hintergrund: Internationale Koordinierung
Die Macher hinter MEHR! Radio sind überzeugt, Radio benötigt einen eigenen terrestrischen Verbreitungsweg und zwar DAB+. Gerne würden sie mit ihrem geplanten Programm in einem Metropolen-Multiplex senden. Die Frequenzen für Großstadt-Multiplexe wurden jedoch nicht in dem Genfer-Wellenplan im Jahr 2006 festgeschrieben. Jedem Bundesland stehen sieben sogenannte Bedeckungen für Hörfunk zur Verfügung. Eine Bedeckung kann aus einem Kanal für das ganze Bundesland bestehen oder regionalisiert werden. Also sich aus einer Vielzahl an Frequenzen zusammensetzen, die dann die Ausstrahlung von lokalen und regionalen Programmen in einem Flächenbundesland ermöglichen. Die Kanäle für die Metropolen-Multiplexe werden zusätzlich zu den garantierten sieben Bedeckungen koordiniert. So hat beispielsweise Polen in 32 Großstädten 34 Frequenzen für DAB+ außerhalb des Genfer-Wellenplans koordiniert. Unser östlicher Nachbar koordinierte die Frequenzen auf Vorrat. Polen nutzt bis jetzt nur eine Bedeckung für das öffentlich-rechtliche Polskie Radio. Regionale Multiplexe gibt es nur testweise in Warschau, Breslau und zwei ländlichen Regionen im Südosten des Landes. „Während andere Bundesländer und Staaten immer mehr Frequenzen für sich beanspruchen, geht es im größten Bundesland nur in Zeitlupe voran. Das ist hochriskant. Es besteht die Gefahr, dass für NRW nur Frequenzreste übrigbleiben. Damit gingen wertvolle Ressourcen für immer verloren, die den Menschen in Nordrhein-Westfalen gehören“, warnt MEHR! Radio. LfM-Sprecher Widlok verweist auf dem Grundsatz nach dem allen Fernmeldeverwaltungen gleich viele Frequenzen zur Verfügung stehen würden: „Die Aufstellung des Wellenplans erfolgte unter der Maßgabe eines gleichwertigen Zugangs zum Spektrum aller Fernmeldeverwaltungen. In einer nationalen Arbeitsgruppe (VHF-AG) wird dieser Grundsatz auch zur Planung des Frequenzeinsatzes in den einzelnen Bundesländern fortlaufend angewendet.“ So stehen dem polnischen Stettin bereits jetzt 14 MHz Bandbreite im VHF-III-Band zur Verfügung, auf der anderen Seite der Grenze in Deutschland nur 12,25 MHz, weil man in Deutschland auf den „gleichwertigen Zugangs zum Spektrum“ setzt. Frequenzen können dem Bundesland NRW nicht verloren gehen, denn nach Auskunft der Bundesnetzagentur „können Allotments gegenüber dem Ausland auch dann geschützt werden, wenn in ihnen noch keine Sendeinfrastruktur betrieben wird“, heißt es aus der Staatskanzlei NRW. So schützt NRW nur das, was dem Bundesland zusteht, aber nicht das kleine Extra an zusätzlichen Frequenzen, um das bereits in Europa ein Wettbewerb stattfindet. MEHR! Radi“ wollte diese zusätzlichen Frequenzen nutzen, die sich aus dem Spektrum herauspressen lassen.

Können DAB+Frequenzen einem Bundesland „verlorengehen“?

Anfang August, ein halbes Jahr nach der Zulassung, warnte MEHR! Radio in der angesprochenen Pressemitteilung, dass Nordrhein-Westfalen durch seine zurückhaltende Haltung beim Thema DAB+ Frequenzen verlorengehen oder nur in schlechterer Qualität zur Verfügung stehen könnten. Wieviel Substanz hat diese Mahnung? Ist es überhaupt möglich, dass einem Bundesland Frequenzen abhandenkommen? Diese Frage stellten wir der Bundesnetzagentur, der Medienanstalt und der Staatskanzlei NRW.

Hintergrund: Frequenzzuteilung in NRW
Im deutschen Föderalismus funktioniert die Zuteilung der Frequenzen an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter und den kommerziellen Hörfunk in jedem Bundesland anders. In einigen Bundesländern obliegt die Aufgabe der Medienanstalt allein, in anderen regeln dies die Staatskanzleien. In Nordrhein-Westfalen ist die Zuordnung von Übertragungskapazitäten an die möglichen Rundfunk-Bedarfsträger im Landesmediengesetz NRW festgelegt. Die Auswahl und Koordinierung der Frequenzen obliegt hingegen der BNetzA, die Bundesländer können zwar Vorschläge machen, haben aber keinen Anspruch auf den Einsatz einer bestimmten Frequenz. „Um Übertragungskapazitäten zur Verfügung gestellt zu bekommen, meldet in Nordrhein-Westfalen die Staatskanzlei Bedarfe bei der BNetzA an. Als Grundlage dafür dienen konkrete Versorgungswünsche der Bedarfsträger für Rundfunk, die schriftlich gegenüber der Staatskanzlei anzumelden sind. Die BNetzA prüft die Umsetzbarkeit des durch das Land gemeldeten Bedarfs und teilt der Staatskanzlei mit, ob und ggf. mit welchen Übertragungsressourcen der Bedarf gedeckt werden kann. Nach abgeschlossener Koordinierung der entsprechenden Frequenzen stellt die BNetzA die zugehörigen Übertragungskapazitäten dem Land zur Verfügung. Diese Übertragungskapazitäten können dann durch den Ministerpräsidenten zugeordnet werden. Im Hörfunk kann diese Zuordnung an drei Bedarfsträger erfolgen. Diese sind das Deutschlandradio, die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) oder der Westdeutschen Rundfunk Köln (WDR)“, erläutert die Staatskanzlei NRW das Verfahren. Absprachen über noch nicht benötigte Frequenzen werden zwischen der Bundesnetzagentur und der Staatskanzlei getroffen. Die Bundesländer informieren die Bundesnetzagentur über „perspektivische Versorgungswünsche“, die dann Grundlage für Verhandlungen über Rundfunkfrequenzen mit ausländischen Funkverwaltungen sind. Die Frequenznutzungsrechte gehen an den Bund über, aber nicht an das jeweilige Bundesland. Erst mit der Anmeldung eines konkreten Bedarfs werden die Übertragungskapazitäten dem Bundesland zur Verfügung gestellt und sind dann nutzbar. Bereits vor der Wellenkonferenz Regional Radiocommunication Conferenz 2006 (RRC06) teilten im Jahr 2005 die Bundesländer der Bundesnetzagentur ihre Bedarfe mit. Am 28. Juni 2016 wurde von allen Bundesländern ein neues Bedarfsstrukturkonzept für den Digitalen Terrestrischen Hörfunk (DAB+) erstellt und dem Bund übergeben. „Die Bedarfe, die von den Ländern vor der RRC06 gemeldet wurden, sind damit überholt“, teilte uns die Staatskanzlei NRW mit.

„Die Staatskanzlei hat im Bedarfsstrukturkonzept 2016 neben den zwei bundesweiten Bedarfen vier landesweit flächendeckende Versorgungswünsche angemeldet, von denen eine Landesbedeckung in neun Regionen unterteilbar sein soll. Darüber hinaus wurde ein siebter Layer für die Versorgung der Ballungszentren in Nordrhein-Westfalen angemeldet. Nach den bisherigen Aussagen der BNetzA sind die oben genannten Bedarfe in Nordrhein-Westfalen umsetzbar. Lediglich im Ballungsraumlayer könnte die Versorgung einzelner Städte wegen Frequenzknappheit mit Einschränkungen verbunden sein“, heißt es aus der Düsseldorfer Regierungszentrale. Das Risiko dem Bundesland Nordrhein-Westfalen könnten Frequenzen nur in schlechterer Qualität oder gar nicht zur Verfügung stehen, relativiert die Staatskanzlei NRW. Wörtlich heiß es in der Antwort auf unsere Anfrage: „In der Pressemitteilung vom 31. Juli 2018 zeigt Mehr! Radio UG lediglich das Risiko auf, Nordrhein-Westfalen könne Frequenzen verlieren. Die Einschätzungen der BNetzA lassen dieses Risiko für Nordrhein-Westfalen bislang nicht erkennen.

In NRW wurden – wie in allen anderen Bundesländern – zwei Übertragungskapazitäten für die bundesweiten Multiplex bereitgestellt. Der Kanal 5 C wird für den ersten bundesweiten Multiplex bereits verwendet und für den zweiten bundesweiten Multiplex stehen auch Übertragungskapazitäten zur Verfügung. Dem WDR stehen mit dem Kanal 11 D Übertragungskapazitäten für einen landesweit betriebene Multiplex zur Verfügung, den sich noch der WDR und das Domradio teilen. Ab 1. Januar 2020 stehen die Übertragungskapazitäten dem WDR allein zur Verfügung. „Für weitere landesweite Ressourcen hat bisher weder die LfM noch der WDR konkrete Bedarfe angemeldet. Der Umfang der bisher noch nicht verplanten Ressourcen lässt erwarten, dass die künftigen Bedarfe sowohl des öffentlich-rechtlichen, als auch des privaten Hörfunks in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden können,“ teilt die Staatskanzlei NRW mit.

LfM erarbeitet Gesamtkonzept

Das Landesmediengesetzes NRW regelt im § 15, dass die Landesanstalt für Medien mindestens einmal im Jahr freie Frequenzen ausschreibt, die ihr sofort bzw. voraussichtlich in den nächsten 18 Monaten zur Verfügung stehen. Die Landesanstalt für Medien selbst hat keine Frequenzen in vergangenen und diesem Jahr ausgeschrieben, deshalb fragten wir die Staatskanzlei: Ist es davon auszugehen, dass der LfM NRW keine freien Frequenzen bekannt sind? Dem Land NRW stehen diese Frequenzen jedoch zur Verfügung. Wer hat diese Frequenzen jetzt? „Die Rechte zur Nutzung der Frequenzen, die bisher in Nordrhein-Westfalen noch nicht für die Übertragung von DAB+ genutzt werden, hat die BNetzA bisher national und international verhandelt. Beim Vorliegen konkreter Bedarfe könnten die entsprechenden Übertragungskapazitäten dem Land zur Verfügung gestellt werden. Für eine Ballungsraumversorgung mit Kerngebiet Düsseldorf liegt der Staatskanzlei bisher keine schriftliche Bedarfsmeldung der LfM vor. Die LfM verweist die MEHR! Radio UG auf die Erstellung eines Gesamtkonzeptes im Rahmen des Hörfunkkonzeptes Radio in NRW 2022 der Landesregierung, welches zurzeit von ihr erarbeitet wird. Die LfM plant, erst nach Erstellung dieses Konzepts Bedarfe für weiteren Hörfunk in Nordrhein-Westfalen der Staatskanzlei zu melden.“ Die Medienanstalt möchte also erst ein Gesamtkonzept vorlegen, bevor sie einen etwaigen Ballungsraum-Mux für die Landeshauptstadt ausschreibt. Die Radiomacher von MEHR! Radio werden sich also weiter gedulden müssen.

„Die Landesanstalt für Medien NRW schreibt terrestrische Übertragungskapazitäten, die ihr zur Verfügung stehen oder voraussichtlich in den nächsten 18 Monaten zur Verfügung stehen werden, mindestens einmal jährlich aus. Allerdings stehen der Medienanstalt NRW derzeit – außer der im gemeinsamen Pilotprojekt mit dem WDR genutzten Teilkapazität des VHF-Kanals 11D – keine terrestrischen digitalen Übertragungskapazitäten für digitalen Hörfunk zur Verfügung. Eine jährliche Ausschreibung hat sich daher bisher erübrigt“, sagt LfM-Sprecher Widlok. So lange die LfM NRW keine Frequenzen bei der Staatskanzlei anfordert, stehen ihr diese nicht zur Verfügung und deshalb muss sie die Frequenzen also auch nicht ausschreiben. In der Vergangenheit konnte kein Anbieter seinen Bedarf der LfM NRW belastbar vortragen, teilt uns die LfM mit: „Die Medienanstalt NRW ist jedoch seit den Anfängen des digitalen Radios (DAB+, vormals DAB) bemüht, das Interesse privater Anbieter von digitalen Rundfunkdiensten oder rundfunkähnlicher Dienste zu ermitteln, um ggf. das Land NRW zur Anmeldung entsprechender Versorgungsbedarfe gemäß der Verwaltungsvorschrift für Frequenzzuteilungen für den Rundfunkdienst (VVRuFU) der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu bitten. Dies setzt jedoch voraus, dass die Bedarfe ausreichend konkretisiert werden können. Trotz mehrfacher Aufforderungen in den letzten Jahren an potentielle Anbieter, ihren Bedarf belastbar vorzutragen, häufen sich erst in der letzten Zeit die Anzeichen, dass eine DAB-Nutzung auch wirtschaftlich sinnvoll sein könnte.

Merkwürdig angesichts des Interesses an einer freien DAB+-Kapazität in NRW von Seiten von lulu.fm, MEHR! Radio und eines potentiellen Multiplexbetreibers aus dem Rheinland ist eine Antwort, die uns aus der Staatskanzlei erreicht: „Selbst wenn mit Blick auf die Sicherung von Übertragungsressourcen eine baldige Implementierung von DAB+-Sendern wünschenswert wäre, könnte die Landesregierung das Engagement von Programmanbietern nicht erzwingen.“

Ballungsraum-Muxe als Chance für neue Anbieter

Die LfM NRW hat in der Vergangenheit immer landesweite Plätze im WDR-Multiplex ausgeschrieben. Für neue Startups – im Gegensatz zu etablierten Anbietern mit den entsprechenden Medienkonzernen im Rücken – ein nicht zu finanzierendes Vorhaben. In Baden-Württemberg und Hessen starteten kommerzielle Anbieter hingegen erst in den Ballungszentren wie dem Rhein-Main-Gebiet und erweitern ihre technische Reichweite dann schrittweise um neue Sendeanlagen im restlichen Bundesland. Das kann dann, wie die Praxis zeigt, auch für weniger finanzstarke Projekte interessant sein. LfM-Sprecher Widlok verweist in diesem Punkt auf das Landesmediengesetz, das in den Grundsätzen zur Zuordnung von Übertragungskapazitäten (§10) eine „möglichst umfassenden Versorgung der Bevölkerung mit einem vielfältigen Programmangebot und programmbegleitenden Diensten des privaten Rundfunks“ vorschreibt.

Pilotprojekte wären theoretisch möglich

Es kommt auf die Abwägung der Interessen an. Auch in der Vergangenheit wäre es der LfM NRW möglich gewesen ein Pilotprojekt für die Metropole Rhein-Ruhr oder einzelne Großstädte zu starten, das Landesmediengesetz hält eine entsprechende Experimentierklausel vor, die Pilotprojekte mit bis zu drei Jahren Laufzeit ermöglicht. Seit 21 Jahrenläuft das Pilotprojekt des WDRs, teilte die WDR-Pressestelle mit: In Nordrhein-Westfalen dauern verschiedene DAB-Pilotprojekte seit 1997 an. Nach vereinzelten technischen Versuchen sendet der WDR seit Beginn der Pilotprojekte offiziell auf DAB, also seit 1997.“ Die Sicherung der landesweiten Versorgung wird allerdings augenscheinlich von der LfM NRW höher gewertet, als die Chance neue Startups den Einstieg in den Markt zu ermöglichen. Bei DAB+ hält man an diesem Ziel weiterhin fest und legt den Anbietern auf, sofort ein Flächenland mit 18 Millionen potentiellen Hörern nahezu flächendeckend zu versorgen – und die entsprechenden Kosten dafür zu schultern.

Hintergrund: Wellenkonferenzen und der Weg zur Frequenz

Eine Lizenz zum Veranstalten von Rundfunk bekommen die kommerziellen Rundfunkanbieter in NRW von der Landesanstalt für Medien (LfM NRW), in anderen Bundesländern von einer der anderen insgesamt 14 Medienanstalten. Für die Frequenzen ist in Deutschland der Bund durch die Bundesnetzagentur (BnetzA) zuständig. Ihr obliegt die Koordinierung von Frequenzen im Inland und die Abstimmung mit den ausländischen Funkverwaltungen. Von der BnetzA erhalten dann die Sendernetzbetreiber eine Frequenz zugeteilt.

Um Hörfunkprogramme terrestrisch über Antenne ausstrahlen zu dürfen, bedarf es einer Frequenz. Die Frequenz ist ein Ausschnitt aus einem ganzen Frequenzband. Auf Wellenkonferenzen wird ein Ausschnitt aus einem ganzen Frequenzband für eine bestimmte Nutzung freigegeben (Hörfunk, TV, Militär, Mobilfunk oder WLAN). Bis in die 1990-er Jahre wurde in dem sogenannten VHF-III-Band (174 – 230 MHz) nur das analoge Fernsehen ausgestrahlt, seit der Wellenkonferenz in Wiesbaden im Jahr 1995 wurde ein Teil des VHF-III-Bandes für den digitalen Hörfunk DAB/DAB+ zur Verfügung gestellt.

Auf der internationalen Wellenkonferenz „Regional Radiocommunication Conferenz 2006 (RRC06)“ wurde das Frequenzband VHF-III komplett neu geordnet. Über 120 Länder der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) haben an der Wellenkonferenz teilgenommen. Spätestens ab Sommer 2015 sollte in dem VHF-III-Band Fernsehen und Hörfunk ausschließlich digital ausgestrahlt werden. Die deutsche Delegation wurde vom Bundeswirtschaftsministerium geleitet. Die im Jahr 2006 vereinbarte Rechteplanung ist die Grundlage für die aktuelle Frequenzplanung in Deutschland, Europa, dem Mittelmeerraum und Teilen Asiens.

Zusätzlich zu der großen Wellenkonferenz wie der RRC06 finden regelmäßig kleinere Konferenzen mit den Nachbarländern statt, für Nordrhein-Westfalen relevant ist die Western European Digital Dividend Implementation Platform (WEDDIP) mit der Beteiligung der Staaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande und der Schweiz. Seit 2009 verhandelt die WEDDIP Frequenznutzungsrechte, zuerst waren das die Rechte für das digitale Fernsehen DVB-T/DVB-T2 und später konzentrierte man sich auf den digitalen Hörfunk DAB+. Die BNetzA entsendet zu der Konferenz die deutsche Vertretung. Dort werden die Frequenznutzungsrechte für die beteiligten Staaten verhandelt. „Für andere Bundesländer haben andere Planungskonferenzen, wie z. B. die North-Eastern European Digital Dividend Implementation Forum (NEDDIF) eine höhere Relevanz, wegen der teilnehmenden Nachbarstaaten“, hieß es aus der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei. „Die Bedarfe der deutschen Rundfunkveranstalter und der Länder werden dabei vom Bund weitestgehend berücksichtigt, eine direkte Zuteilung an die Länder findet in den nationalen Konferenzen jedoch nicht statt. Die Frequenzen im Bundesgebiet gehören dem Bund. Für Rundfunkzwecke werden den Ländern (…) Übertragungskapazitäten vom Bund zur Verfügung gestellt.“

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