Werbezeitenreduzierung beim WDR wird ausgesetzt

Die neue schwarz-gelbe Landesregierung  in Nordrhein-Westfalen setzt die von Rot-Grün 2016 beschlossene Werbezeitenreduzierung im WDR-Hörfunk bis zum 1. Januar 2021 aus, wie NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ offenbarte. Eigentlich hätte der WDR ab 2019 nur noch 60 Minuten Werbung auf einer Welle ausstrahlen dürfen, Anfang dieses Jahres wurden die Werbezeiten bereits auf werktags 75 Minuten im Jahresdurchschnitt auf zwei Wellen reduziert. WDR4 ist deshalb seit Jahresbeginn werbefrei.

Nun will NRW erstmal evaluieren, ob die vorgenommene Reduzierung wirklich dazu führt, dass wie intendiert die Werbeeinnahmen beim privaten Rundfunk parallel steigen. Für ein solches Gutachten brauche man Zeit, begründete Liminski die Verschiebung im „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Eine andere Baustelle hatte der WDR unlängst versucht zu schließen. Die Verlage beklagen schon länger, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich zu stark im Netz ausbreiten und „presseähnliche“ Angebote aufbauen würden. Der WDR war erst vor wenigen Tagen in diesem Punkt den Forderungen der Verlage entgegengekommen und hatte erklärt, dass er sich im Netz künftig auf Audio- und Video-Inhalte konzentrieren will. Heißt, es wird weniger bzw. kürzere Texte geben.

Kritik kommt unterdessen vom Privatradioverband. Klaus Schunk, Vorsitzender des VPRT-Fachbereichs Radio und Audiodienste und Geschäftsführer von Radio Regenbogen: „Wir sehen uns mit einer bedenklichen Intransparenz in NRW konfrontiert, in der Themen wie der Aufschub der Werbereduzierung im WDR-Radio ausgehandelt zu sein scheinen, ohne dass der private Rundfunk einmal angehört wurde. Durch die zweijährige Verschiebung der Werbezeitenreduzierung wird im Ergebnis nur wertvolle Zeit für die erforderlichen Korrekturen im dualen Radiosystem vergeudet. Auch das private Radio appelliert an die Landesregierung NRW, den Interessen beider Seiten angemessen gerecht zu werden. Das Wenigste, was wir erwarten, ist ein ergebnisoffener Dialog mit allen Betroffenen, bevor weitreichende medienpolitische Weichenstellungen über die Presse verkündet werden.“

Positiv wird der Vorstoß der NRW-Landesregierung von den werbungtreibenden Unternehmen aufgenommen. Joachim Schütz, Geschäftsführer der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM): „Dass die neue Landesregierung die Reduzierung der Werbezeiten im WDR aussetzt, um zunächst die Auswirkungen zu prüfen, ist der richtige und notwendige Schritt zur Stabilisierung des Hörfunk-Werbemarkts in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland und ist nicht zuletzt ein Verdienst der Aufklärungsarbeit von Markenverband und OWM.“ Die OWM hatte bereits 2012 in einer Studie versucht darzulegen, dass freiwerdende Gelder bei einer Reduzierung der Werbemöglichkeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht in Richtung Privatradio sondern zugunsten anderer Werbemöglichkeiten aus dem Hörfunk abfließen werden.

Schütz weiter: „Die 2016 im Hauruckverfahren beschlossene stufenweise Reduzierung der Werbezeiten im WDR ist ohne qualifizierte Abschätzung der Konsequenzen für den Markt erfolgt. Wir gehen davon aus, dass das geplante Gutachten zu den gleichen Ergebnissen wie bereits die OWM-Hörfunkstudie kommen wird und setzen darauf, dass die Entscheidung der vorherigen NRW-Regierung zurückgenommen wird und die Gattung Radio in NRW weiter zukunftsfähig bleibt. Letztendlich sichert ein insgesamt starker Hörfunkmarkt auch die Existenz des Privatradios. Dies gilt besonders in einer Zeit, in der die Budgets kontinuierlich in Richtung Digital abwandern.“

Noch ist unklar, ob die jetzt angekündigte Aussetzung nur die kommende weitere Werbezeitenreduzierung ab 2019 betrifft oder eventuell sogar auch die schon durchgeführte erste Stufe. So oder so – es bleibt eine frohe Kunde für den WDR, der erst gestern von seiner angespannten Finanzlage berichtet hatte, und seine Werbetochter WDR Media Group. Und eine unliebsame Weihnachtsüberraschung für Radio NRW und die NRW-Lokalsender.

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