Ungarn: Landesweiter Radiosender verliert Lizenz

Am 20. November ging Class FM, das eine landesweite UKW-Lizenz in Ungarn hielt, off air. Die siebenjährige Sendelizenz hätte in diesem Jahr erneuert werden müssen, die Medienanstalt beabsichtigt aber stattdessen die Kette neu ausgeschrieben. Es läuft noch eine Klage gegen die Entscheidung des Gremiums. Die Medienanstalt wirft dem Sender vor, dieser habe zwölfmal gegen Vorschriften des Mediengesetzes verstoßen. Class FM setzt vorerst im Netz und über digitale Verbreitungswege sein Programm fort. Der Sender gehörte bis Mai 2016 dem ungarischen Unternehmer Lajos Simicska, lange ein Weggefährte von Ministerpräsident Viktor Orbán, mit dem er aber seit 2015 über Kreuz liegt. Das Programm, das als Einziges über eine landesweite UKW-Lizenz verfügte, ist mit Abstand das am meisten gehörte Privatradio in Ungarn – mit rund 2,4 Millionen Hörern.

Class FM wurde im Fühsommer von  Simicska an die Sláger Rádió Zrt. verkauft, hinter der nach ungarischen Medienberichten der US-Amerikaner Michael McNutt und zu einem kleineren Teil das Schweizer Medienhaus Marquard stehen sollen. Unter dem Namen Sláger Rádió gab es bereits ab 1998 ein Radioprogramm in Ungarn, das 2009 ebenfalls seine landesweite Lizenz nicht verlängert bekam. Sie ging damals an Neo FM über,  das aber nur ein kurzes Intermezzo im ungarischen Radiomarkt gab und schon 2012 seinen Betrieb wieder einstellte. Das Frequenznetz wurde anschließend an den ungarischen Rundfunk übergeben. Sláger Rádió gehörte dem US-Radiounternehmen Emmis, die damalige Entscheidung der Medienanstalt für eine Neuvergabe von dessen angestammter landesweiten Lizenz wurde von den USA, Deutschland und weiteren europäischen Ländern als intransparent kritisiert.
In Ungarn wird es also nun für eine Übergangsphase erst einmal keinen landesweiten kommerziellen Hörfunk mehr geben. Die Medienanstalt kündigt an, dass sie in den nächsten Wochen einen Entwurf für eine neuerliche Ausschreibung vorlegen wird. Das Frequenznetz solle erweitert werden, um ländliche Regionen besser zu versorgen.

Rádió 1 war lange einer der führenden Radiosender in Ungarn, bis man 2012 seine UKW-Frequenz in Budapest verlor. 2016 erstand ein neuer Sender unter dem Namen Rádió 1 in Budapest. Gesendet wird auf 96.4 MHz, hinter dem Sender steht Andy Vajna. Der US-Amerikaner mit ungarischen Wurzeln und ehemaliger Hollywood-Filmproduzent sist auch Orbáns Regierungsbeauftragter für die Erneuerung der nationalen Filmindustrie. 2015 übernahm Vajna die Fernsehgruppe TV2, die früher einmal ProSiebenSat.1 gehört hatte. In diesem Jahr gewann er die Ausschreibung um die Budapester Frequenz 96,4 MHz. Jetzt baut der Sender zügig sein UKW-Netz in ganz Ungarn aus, dafür wurden Lokalsender gekauft und Partnerschaften geschlossen. So ist das Programm seit dem 15. November in Miskolc, Győr, Nyíregyháza, Balaton, Szekszárd, Baja, Heves, Paks, Dunaföldvár zu hören. Teilweise auf Frequenzen, die bereits das „alte“ Radio 1 einst nutzte.

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