#Personality: Der Unterschied zwischen Persönlichkeit und Möchtegern

Nach der Binsenweisheit „Radio muss wieder Geschichten erzählen“ wird nun die Binsenweisheit „Radio braucht wieder mehr Personalitys“ durchs Dorf gejagt.
Beides war schon immer notwendig, um gutes Radio zu machen. Wer das jetzt erst als USP entdeckt, hat die letzten Jahre irgendwas gemacht, aber vermutlich kein erfolgreiches Radio. Das vorweg.

Die Frage ist doch: was macht eine Personality aus? Und was unterscheidet die Möchtegerns von den echten Stars?

Hören Sie sich all die großen Moderatoren an, die von der Lausitz bis London von Nürnberg bis New York von Salzburg bis Sydney die Menschen begeistern. Sie eint alle zunächst mal eine Eigenschaft:
Die Präsenz. Eine Moderatoren-Persönlichkeit hat dieses gewisse Etwas. Diese Präsenz, die einem das Gefühl gibt, der Moderator sitzt im Auto auf dem Beifahrersitz. Das ist ein Talent, das man meiner Meinung nach kaum erlernen, nur verbessern kann. Hat man oder hat man nicht. Sie haben es? Danken Sie Gott, dem Universum (oder an wen auch immer Sie glauben) jeden Tag dafür – aber bilden Sie sich nichts darauf ein…

Nächste Eigenschaft: die sympathische, positive Grundausstrahlung. Das hat nichts mit Dauergrinsen zu tun, das ist eine Haltung, die mit grundsätzlicher Lebenseinstellung zu tun hat und ebenfalls eine Eigenschaft, die man nicht erlernen kann. Ein Miesepeter wird niemals ein Star-Moderator werden (können). Ein Star-Moderator versucht, das halbvolle Glas zu sehen und wann immer es geht, einen positiven Dreh zu finden. Er hat das „Talent zum Happy End“ – das ist essentiell in Unterhaltungsmedien, denn diese Medien werden von den Menschen dazu genutzt, um gute Laune zu bekommen, schlechte Stimmung in gute zu verwandeln bzw. die gute Stimmung zu verstärken. (siehe auch:
(siehe auch: http://www.uni-kassel.de/fb4/psychologie/personal/lange_SAV/material/Unterhaltung.pdf)
Die großen Radio-Stars schaffen es fast immer, den Hörern ein gutes Gefühl zu geben. Natürlich gibt es auch Geschichten, die traurig oder tragisch sind, nachdenklich machen oder wütend. So ist das Leben. Wann immer es geht, arbeiten die besten Moderatoren aber nach dem Motto: „Everything is good for something“ und finden damit einen Dreh, der Hoffnung macht und eben ein gutes Gefühl hinterlässt.

Und damit sind wir beim nächsten Punkt:
All die echten Persönlichkeiten (nicht die Möchtegerns!) sind bei ihren Hörern beliebt. Extrem beliebt. Einige von ihnen polarisieren auch sehr stark, aber der Anteil an Menschen, die sie mögen, überwiegt den Anteil derer, die sie nicht leiden können recht stark. Sie sind beliebt, weil sie wissen, was ihre Hörer gerade bewegt und dies in einer Art ansprechen, die bei den Menschen direkt ankommt – und eben auch, weil sie das „Talent zum Happy End“ haben.

Der nächste Punkt steckt in dem Wort „Persönlichkeit“: sie sind persönlich. Heißt: eine transparente Person im weitesten Sinne aus der Lebenswelt der Hörer. Mit einem „echten“ Leben, mit Freunden, Familie, Hobbys und Interesse für all das, was in der Welt bzw. vor der Haustür so passiert. Dieses Leben teilen sie mit ihren Hörern und geben ihnen so Punkte zum Andocken – ich nenne das „Identifikationspotential“.

Und das Sahnehäubchen der Personality-Eigenschaften: Empathie.

Durch dieses Grundgerüst – Präsenz, sympathische Ausstrahlung, Beliebtheit, Identifikationspotential durch Transparenz des persönlichen (Er-)Lebens und im besten Falle noch empathische Intelligenz – liegen für diese Menschen die Themen und deren Umsetzung on air auf der Straße. Sie sprechen den Hörern aus dem Herzen. Das wiederum führt zu noch größerer Beliebtheit. Das wiederum zeichnet eine echte Radio-Personality aus: sie ist so beliebt, dass Hörer ihretwegen den Sender einschalten, was weiterführend übrigens eine schöne Gehaltserhöhung rechtfertigt! Auch der vermeintliche „Super Bad Guy“ Howard Stern hat eine Menge Empathie für seine Mitmenschen und die Kollegen im Studio.

Dann sind da noch die, die behaupten, dass Radio ihnen nicht erlaube, eine Personality zu sein. Vielleicht haben genau diese Kollegen einfach nur noch einen langen Weg vor sich? Es gibt nämlich Dinge, von denen einige vielleicht glauben, dass sie wichtig für Personalitys seien und ausreichen würden, um als Starmoderator zu gelten, aber ohne eine starke Präsenz, gepaart mit sympathischer Grundausstrahlung, einer positiven Einstellung zum Leben und Identifikationspotential, was wiederum zu einer großen Beliebtheit führt, sind diese anderen Dinge wertlos und führen zu nichts – zumindest nicht in einem Sender, der mit seinem Programm Quote machen und Geld verdienen muss.

Nur weil ein Moderator sich „auch mal was traut“, z.B. „Sch..“ on air zu sagen, Politiker zu beschimpfen oder Hörer zu provozieren, ist er noch lange keine Personality.

Und es macht schon gar keine Personality aus, wenn man sich mit seinen Aussagen, seiner Haltung oder Meinung und seiner Attitüde über die Hörer stellt. Sich über die Hörer zu stellen ist nur eines: unsympathisch. Das kann man zwar machen und damit provozieren – aber bitte auf einem eigenen YouTube- Kanal oder in einem eigenen Webradio. In einem Radio, das seine Hörer behalten oder gar vermehren will, hat das nichts zu suchen.

Weiterer Irrglaube:
nur weil jemand nett mit Hörern plaudern kann, reicht das auch noch lange nicht zur Personality.

Die entscheidende Frage lautet immer: interessiert all das jemanden bzw. eine ausreichende Menge an Menschen? Bewegt es die Menschen am Radio, führt es zu stärkerer Bindung an den Moderator und damit den Sender?

Wenn Sie Moderator sind, die beschriebenen Irrglauben bereits überwunden haben und über diese großartige Mischung aus Präsenz, sympathischer Ausstrahlung, Identifikationspotential, Beliebtheit und Empathie verfügen, dann sind sie diese Art von Goldstaub, die Radio unbedingt braucht und sollten eines nicht versäumen: nach einer Gehaltserhöhung zu fragen…

Viel Erfolg dabei
Ihre
Yvonne Malak

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www.my-radio.bizYvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. Juli 2019.

Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/

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