UKW-Antennenstreit: „Die Arbeit fängt für alle Beteiligten erst richtig an“

Ein UKW-Blackout konnte am vergangenen Wochenende im letzten Moment abgewendet werden. Nun haben alle Beteiligten bis Ende Juni Zeit eine Lösung zu finden – die Grundprobleme bestehen aber weiterhin.

Media Broadcast wird als Übergangslösung den UKW-Sendernetzbetrieb für über 40 Radioveranstalter bis maximal zum 30. Juni 2018 weiterführen. Der langjährige Monopolist, der mittlerweile zu Freenet gehört, hatte seine UKW-Antennen an verschiedene Unternehmen und Investoren verkauft. Vielerorts konnten sich allerdings seit Januar die neuen Antennenbesitzer u.a. mit den Sendernetzbetreibern Uplink und Divicon noch nicht über die Konditionen für den Antennenzugang einigen.

Für eine Übergangszeit haben die betroffenen Radioanbieter bzw. deren Sendernetzbetreiber Divicon und Uplink, die in den meisten Fällen seit 1. April vertraglich für den UKW-Sendernetzbetrieb verantwortlich sind, nun die Media Broadcast mit dem Betrieb beauftragt, geduldet von den neuen Antennenbesitzern. Die zeitweilig befürchteten UKW-Frequenzabschaltungen sind damit erstmal von Tisch und kein Radio wird stumm bleiben. Von denen wären nicht nur viele Privatsender betroffen gewesen, sondern u.a. auch das Deutschlandradio und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Ostdeutschland. Im Westen besitzen die ARD-Anstalten hingegen ihre UKW-Antennen und Türme in der Regel selber, sie sind also auf der sicheren Seite.

Wolfgang Breuer, Geschäftsführer der Media Broadcast, sagt: „Mit dem jetzt nach unnötig schwerem Ringen vereinbarten Übergangsbetrieb für über 40 Anbieter sichern wir noch bis spätestens 30. Juni dort den reibungslosen Weiterbetrieb, wo sich die eigentlichen Vertragsparteien, Sendernetzbetreiber, Antennenbesitzer und Radioveranstalter aktuell noch nicht geeinigt haben.“

Breuer: Frist bis maximal zum 30. Juni
Breuer fährt fort: „Wir erwarten, dass die eigentlichen Vertragsparteien spätestens bis dahin ihrer Verantwortung für einen unterbrechungsfreien Sendebetrieb gerecht werden. Wir haben uns seit dem 31. März 2018 von dem Geschäft getrennt, weil es für uns keine Möglichkeit gab, das Geschäft wirtschaftlich zu gestalten, und wir uns auf andere Geschäftsfelder wie digitale Plattformen und Services fokussieren. Wir werden definitiv am 30. Juni das Übergangsangebot beenden. Alle Beteiligten haben bis dahin genügend Zeit, Lösungen zu finden.“

Damit bleibt besagten Beteiligten nun nicht ganz drei Monate Zeit, um einen Ausweg zu finden. Dass das nicht einfach werden wird, zeigt ein weiteres Statement vom Montag. „Die Freenet AG-Tochter Media Broadcast hat die zum großen Teil noch aus Zeiten der Bundespost stammende UKW-Infrastruktur zum reinen Spekulationsobjekt gemacht, private und öffentlich-rechtliche Radioveranstalter, sowie ihre Dienstleiser werden erpresst, nicht-marktkonforme Verbreitungskosten zu bezahlen“, erklärt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR), Felix Kovac, und dankt den Unternehmen Divicon und Uplink, dass sie über das Wochenende alles unternommen hätten, um einstweilen Schaden von den betroffenen Radioanbietern fernzuhalten. Die APR vertritt u.a. die Lokalradios aus Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Mit Erleichterung haben auch die Landesmedienanstalten die Einigung aufgenommen. „Das war ein wichtiger erster Schritt, aber eben auch nur der erste. Es gibt keine Zeit zum Ausruhen, die Arbeit fängt für alle Beteiligten erst richtig an“, mahnt die DLM-Vorsitzende Cornelia Holsten und spricht ebenfalls von einem „schweren Ringen“. „Es müssen viele Verträge zwischen zahlreichen Partnern verhandelt und geschlossen werden – die Zeit läuft!“

Kovac: UKW-Infrastruktur ist zum reinen Spekulationsobjekt geworden
Hintergrund der Auseinandersetzung ist der angesprochene Verkauf der UKW-Antennen durch die Media Broadcast an rund 30 Unternehmen. Unter den Käufern finden sich mehrere Finanzinvestoren, die einen großen Teil der Antennen erworben haben. Bis zum Verkauf war die Media Broadcast durch die Bundesnetzagentur bei den Entgelten, die sie für die Antennenmitbenutzung aufrufen konnte, reguliert. Dabei wurden die abgeschriebenen Antennen nur mit dem Buchwert anerkannt. Mit dem Verkauf der Antennen – und damit des Monopols – ist diese Entgeltregulierung nun hinfällig geworden. An diesem Punkt entzündet sich der aktuelle Streit, denn die Käufer rufen höhere Preise für die Antennenmitbenutzung auf.

„Die Media Broadcast hat die Altanlagen zu Preisen, die sich am Neuwert orientieren, verkauft. Die Finanzinvestoren präsentieren den Radioanbietern die entsprechende Rechnung als Mietkosten plus einer Servicepauschale der Media Broadcast. Die Programmveranstalter und die von ihnen in Konkurrenz zur Media Broadcast mit der Programmausstrahlung beauftragten Betreiber halten diese Preisbildung nicht für marktgerecht“, fasst die APR in einer Pressemitteilung ihre Sicht auf die vertrackte Lage zusammen.

„Leider war der Verkaufsprozess völlig intransparent und zielte eindeutig darauf Spekulationserlöse von branchenfremden Anlegern zu erzielen, statt auf einen betriebssicheren Übergang“, kritisiert APR-Chef Kovac und weist darauf hin, dass viele Radioveranstalter in den vergangenen Monaten selbst aktiv waren und Infrastruktur erworben haben, wo ihnen das angeboten worden war.

Einige Radioveranstalter setzen auf eigene Lösungen
So haben etliche baden-württembergische Lokal- und Regionalstationen „ihre“ Antennen gekauft und den Sendernetzbetrieb schon ab 2016 in das Gemeinschaftsunternehmen SBW Sendernetzbetrieb Baden-Württemberg überführt. Auch die die beiden großen niedersächsischen Privatradios sowie Radio 21 und Rockland Radio haben Antennen erworben. In Bayern wird die BMT, eine Tochter der dortigen Medienanstalt, alle UKW-Antennen für die bayerischen Privatradios kaufen.

Auf Autarkie setzen auch die ostwestfälischen Lokalradios. Deren zentraler Dienstleister ams – Radio und MediaSolutions organisiert den Sendebetrieb für die UKW-Frequenzen der Lokalradios ebenfalls selbst. Auch die Antennenanlagen gehören mittlerweile der Vermarktungs- und Servicegesellschaft der Lokalradios. „Die Übernahme ermöglicht den von ams vermarkteten Sendern deutliche Qualitäts- und Serviceverbesserungen sowie Kostenvorteile,“ sagt ams-Geschäftsführer Uwe Wollgramm: „Das zeigt sich unter anderem in Situationen wie jetzt, wo Abhängigkeiten vom Fremden dazu führen können, dass der gesamte Sendebetrieb ins Wanken gerät. Hier können wir entspannt bleiben und unseren Hörern eindeutig Entwarnung geben.“

Die Materie ist hochkomplex. Selbst bei den nicht auf Gewinn ausgerichteten neuen UKW-Antennenbetreibern wie den Landesmedienanstalten, die ebenfalls für Bürgerradios Antennen gekauft haben, sind – durch den Wegfall des Regulierungssystems und der damit einhergehenden Härtefallregelung – Preissteigerungen für Antennenmitbenutzer nicht auszuschließen. Die Miete, die für die Nutzung der Funktürme fällig wird, ist ein weiterer Kostenfaktor, der bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden muss. Vermieter ist in den meisten Fällen die Telekom-Tochter Deutsche Funkturm.

Holsten: „Hört endlich auf, mit UKW zu spielen!“
„Wir beobachten genau, was die Vertragspartner jetzt unternehmen. Eine Situation wie in den letzten Tagen darf sich niemals wiederholen. Hört endlich auf, mit UKW zu spielen!“, appelliert Brema-Direktorin und DLM-Vorsitzende Holsten in Richtung der Verhandlungspartner. Die Medienanstalten könnten, da es sich um rein privatwirtschaftliche Verträge handele, nur moderierend den Prozess begleiten.

Eingreifen von Bund und Ländern gefordert
„Wir erleben ein völliges Regulierungsversagen“, findet APR-Chef Kovac und ruft seinerseits Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur auf einzugreifen. Die Programmveranstalter seien durch die medien- und telekommunikationsrechtliche Regulierung ihrer Frequenzen auf einzelne Standorte und Antennen angewiesen, ein Ausweichen auf andere Infrastrukturen nicht möglich.

Es leuchtet ein, dass wirklicher Wettbewerb so nur schwer entstehen kann. Teilbereiche des UKW-Sendernetzmarktes werden sozusagen indirekt weiter reguliert, andere wie der Antennenzugang nun nicht mehr. Der Aufbau alternativer Infrastruktur ist zumindest kaum kurzfristig und unterbrechungsfrei machbar, zieht Neu- und Umkoordinierungen nach sich. Es ist die Frage, ob es – freier Markt hin oder her – ganz ohne eine Regulierung der Antennenmitbenutzung durch die Bundesnetzagentur gehen kann, vorausgesetzt diese gelangt zu der Einschätzung, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen ihr dies in diesem Fall auch ermöglichen. Ob dann am Ende eine Rückkehr zum bisherigen regulierten Preissystem stehen kann, das für einen bundesweiten Monopolmarkt konzipiert war, ist ein anderes Thema. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ zitiert am Samstag einen Sprecher der Bundesnetzagentur, der bestätigt, dass die Behörde mit Hochdruck prüfe, ob und inwieweit die Antennenkäufer künftig einer Marktregulierung unterliegen. Gegebenenfalls werde man sich auch den Veräußerungsprozess der Antennen anschauen, heißt es dort weiter. Eine andere Baustelle sind die Turmmieten, wo sich auch so mancher Marktteilnehmer eine Deckelung durch eine Regulierung wünschen würde.

„Die gesetzliche Lage ist unbefriedigend. Als die Media Broadcast mit ihrer Infrastruktur 2008 erstmals von der Telekom an Finanzinvestoren verkauft wurde, hat die Medienpolitik zwar auf die Gefahren für die Rundfunkversorgung hingewiesen, geschehen ist aber nichts. Wir erleben kein Spezialproblem von UKW, die strukturellen Probleme sind beim digitalen Radio DAB+ und bei DVB-T völlig gleich, hier droht erneut ein Monopol von Media Broadcast und ihren Spekulationsinteressen“, sagt Kovac und fordert erneut Bund und Länder zum Handeln auf. Notwendig sei neben entsprechenden landesrechtlichen Regelungen eine bessere Absicherung des Senderbetriebs für Rundfunk im Telekommunikationsgesetz.

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