Friesischer Rundfunk: Mitarbeiter retten eigenen TV-Sender vor der Pleite

  • Sonntag, 8. November 2015
  • Pressemitteilung des Friesischen Rundfunks

Buchstäblich in letzter Minute haben die Mitarbeiter des Niedersächsischen Regionalfernsehsenders Friesischer Rundfunk ihren Sender vor dem Aus bewahrt. Die bisherigen Gesellschafter, sieben Zeitungsverlage aus Niedersachsen und ein Privatmann, hatten nach dem fünften Sendejahr die Einstellung beschlossen, da immer noch rote Zahlen geschrieben wurden und eine wirtschaftliche Zukunft nicht gewährleistet war.

Der Friesische Rundfunk sendet seit 10 Jahren und begann 2005 als sogenannter Mediendienst. Es durfte anfangs nicht lippensynchron gesendet werden. So strahlte FRF überwiegend Heimatbilder aus, während unten in einer Laufleiste die entsprechenden Infos zu dem gerade gezeigten Beitrag durchliefen. Im Jahr 2010 wurde in Niedersachsen das Mediengesetz geändert. Als erster Regionalfernsehsender wurde in dem Bundesland der Friesische Rundfunk von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt zugelassen und ging im Januar 2011 mit einer neuen Gesellschafterstruktur an den Start.

Heute sendet FRF eine tägliche erfrischende Magazinsendung. Das Programm wird in über 1.200.000 analogen und digitalen Kabelhaushalten ausgestrahlt. Bei einer Befragung durch ein Institut kam heraus, dass der Friesische Rundfunk quotengleich mit n-tv, N24 oder 3sat ist – für einen Regionalsender eine starke Leistung.

Der plötzliche Ausstieg der bisherigen Gesellschafter hat die Mannschaft mitten ins Herz getroffen, eine Krisensitzung jagte die andere. Schließlich schlug das Team den Kauf des Senders vor. Seit vier Tagen sendet die junge Mannschaft vom FRF auf eigene Rechnung.

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„Ich bin quasi bei mir selbst angestellt.“, Jessica Frerichs grinst. Sie hat hier Mediengestalterin gelernt und dachte nie, dass ihr ein TV-Sender mal gehört. Zumindest zum Teil, denn auch ihre Kollegen mischen mit. Videoreporter, Chefredakteurin, Werbekundenberater – sie alle hatten bis vor kurzem nur einen Arbeitsvertrag. Das TV-Team stand vor der Wahl: Aufgeben und wie die Nachbarsender in der Versenkung verschwinden – oder eine wahnwitzige Idee von heute auf morgen wahr machen. „Wir lassen uns doch nicht einfach abschalten! Ich habe eine wunderbare und starke Mannschaft. Wir wissen, was wir können und wir wissen genau, was wir nicht können.” Der alte und neue Geschäftsführer und FRF-Gründer Karl-Heinz Sünkenberg hat keine Sekunde an dem gewagten Plan gezweifelt. Das Risiko ist groß und er wäre es mit keiner anderen Mannschaft eingegangen. Aber er kennt seine Leute. Immerhin sind die meisten Mitarbeiter schon weit über fünf Jahre dabei. „Dass Mitarbeiter einen TV-Sender kaufen, dürfte in Deutschland einzigartig sein.“

Klar kann es schief gehen. Klar waren die meisten hier vor ein paar Tagen das erste Mal in ihrem Leben bei einem Notar. Amtsdeutsch, Rechtsgrundlagen, Lizenzbedingungen „Wenn ich einen Beitrag über Jagdscheine mache, weiß ich auch nicht alles vorher.“ Philipp Sempell ist Chef der Videoreporter und hat kühl durchkalkuliert. Bisschen Risiko ist ja immer, man kann woanders auch einfach gefeuert werden. Dann wäre er hier zumindest noch Gesellschafter und kann mitbestimmen.

Sicherlich stellt man sich nun die Frage, wieso Gesellschafter aussteigen, weil die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist und eine andere Mannschaft einspringt. “Wir werden ganz von vorn anfangen, Kosten einsparen und unser Sendeland vielleicht erheblich verkleinern und unseren TV-Kanal untervermieten,” verrät Kerstin Walczik. Sie ist die Chefredakteurin und seit fast zehn Jahren dabei. “Wir haben auch keine andere Chance. Aufgeben ist das Allerletzte,” so die zukünftige Prokuristin Walczik weiter.

“Naiv sind wir nicht. Wir haben uns alle vorab von einem Rechtsanwalt und einem Steuerberater über das Für und Wider beraten lassen,” sagt Diana Stecker, die für den FRF als Videoreporterin inzwischen über 870 Beiträge produziert hat. “Wir haben seit zehn Jahren auf Transparenz gesetzt. Unsere Zuschauer sind über alles informiert. Jetzt haben wir in einer Sondersendung die Hose runtergelassen und den Leuten da draußen gesagt, wie es um uns steht,” sagt Karl-Heinz Sünkenberg. “Unsere Zuschauer müssen uns helfen und weitere Werbekunden werden zu uns kommen, um ihren Heimatsender zu unterstützen,” so Sünkenberg. “Die ersten stehen schon auf der Matte,” ruft Werbekundenberater und neuer Gesellschafter Jens Kloppenburg von hinten durch das Großraumbüro, als er den Telefonhörer auflegt. Die Mitarbeiter stehen auf und klatschen. Diese kurze Botschaft kommt bei dem Team wie eine kleine Befreiung an.

Freudig schaut auch Volontär Karsten Woll an seinem Schnittplatz über die Monitore. “Ich durfte nicht mitmachen, weil ich noch zu jung dabei bin. Ich finde es gut, dass wir das jetzt alles für uns machen. Allerdings hat das für mich auch einen Nachteil. Ich habe jetzt auf einen Schlag jede Menge Chefs.”

Bundesweit bekannt wurde der Fernsehsender mit dem Stellenangebot an Walter aus dem Dschungelcamp und der Katze Piepsi aus Altengroden.

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