Yvonne Malak: Survival of the fittest! Marke stärken für die Herausforderungen der digitalen Zukunft

Während fast die Hälfte aller Deutschen regelmäßig die TV Mediatheken nutzt und mittlerweile mehr als ein Fünftel auf Video on Demand zurückgreift statt linear fernzusehen, während Zeitungen wie die Abendzeitung in Nürnberg einfach so verschwinden, während junge Zielgruppen zunehmend zu Streamingdiensten abwandern oder lieber youtube klicken, als ein Radio einzuschalten – während all das passiert, ist die Antwort einiger Radiomacher auf diese veränderte Medienlandschaft, ein paar Workshops und Seminare zum Thema Social Media zu besuchen und sich um die eigene Facebook Präsenz zu kümmern. O.K., das ist jetzt etwas überspitzt dargestellt, trifft aber dennoch den Kern ziemlich genau. Natürlich müssen wir Themen wie „Social Media“ oder „die optimale Radio-App“ in unser Tagesgeschäft integrieren, diese dürfen aber nicht die Wichtigkeit des Aufbaus und der Weiterentwicklung unserer Marke und der Qualität unseres Radioprogramms verdrängen. Sich allerdings über vermeintlich tolle Facebook Postings zu freuen und parallel das Kerngeschäft – nämlich 150prozentige Programmqualität – zu vergessen, wird mittelfristig vermutlich teuer zu stehen kommen.

Es gibt sehr viele sehr, sehr gut und professionell gemachte Radiomarken in Deutschland, die für all das stehen, was Hörer von ihrem Radioprogramm erwarten. Und: es gibt immer noch sehr viele Radiosender, die nach dem Prinzip „das ging 20 Jahre gut, das passt schon so“ ,den Gong nicht hören. Das betrifft die Qualität des Programms genauso wie die Wettbewerbsfähigkeit durch eine sinnvolle Markposition.
Wer heute nicht in eine starke Marke investiert, die für relevante Merkmale steht und wer diese Merkmale nicht permanent optimiert, wird in kurzer Zeit ein Problem haben. Vor allem die vielen „Me Too Produkte“, die keine relevante Position in den Köpfen der Hörer besetzen, werden im Verdrängungswettbewerb durch neue Anbieter und zusätzliche Programme (z.B. über DAB+) mittelfristig mit (weiter) sinkenden Marktanteilen zu kämpfen haben. Siehe Österreich, wo Ö3 in einigen Märkten mit „Me Too Produkten“ im Pseudo-Wettbewerb teilweise bis zu 40% Marktanteil erobert und alle privaten Anbieter – vor allem schwache Nachahmerprodukte – seit Jahren kontinuierlich in die Schranken weist. Sie kennen sicher das erste Gebot im Marketing (Ries and Trout, „The 22 immutuable Laws of Marketing“): Es ist besser, Erster zu sein, als besser zu sein. (…) Es ist erheblich leichter, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das den Konsumenten als erstes in den Sinn kommt, als eines, von dem sie erst nachweisen müssen, dass es besser ist als das der Konkurrenz, die zuerst am Drücker war“

Noch gibt es eine Chance, seine Position neu zu bestimmen und für etwas Relevantes erster zu sein – z.B. für all die Lokalsender, die sich damit begnügen, den großen Landesweiten nachzuahmen in dem Glauben, dass Lokalität allein ein ausreichender USP sei.

Und noch gibt es außerdem die Chance, an allen anderen „Baustellen“ zu arbeiten und das Programm sowie das (On Air) Marketing dafür so zu optimieren, dass alles zusammen zum Aufbau einer starken Marke beiträgt.

Noch sind finanzielle Mittel vorhanden, um diese in die Basis für ein erfolgreiches Programm zu investieren: eine solide Marktforschung, die dem Sender zeigt, wo er steht, was die Hörer über ihn denken, wo es Chancen gibt und wo der Wettbewerb angreifbar (oder auch nicht angreifbar) ist. Besser man tätigt diese Investition nur ein einziges Mal (oder alle zwei Jahre) als nie. Alles ist besser, als Programm nach Bauchgefühl und mit dem Finger im Wind zu machen. Was machen all die erfolgreichen großen und kleinen Sender, die jahre-, teilweise jahrzehntelang Marktführer sind? Sie setzen auf Marktforschung und Musiktests und überlassen nichts dem Zufall. Sie prüfen und optimieren ihr Produkt permanent. Sie stellen sich Kritik von außen und holen sich Anregungen. So sichern sie Marktanteile und damit Arbeitsplätze, die wiederum für ein weiterhin qualitativ hochwertiges Radioprogramm sorgen können.

All diese Sender, die ich meine – und darunter sind viele kleine Lokalsender! – sind starke Marken geworden, die jedes Jahr eine ordentliche Rendite abwerfen und hoffentlich auch in einigen Jahren noch stabil durch die stürmischen Gewässer des digitalen Wandels segeln. Weil sie für etwas Bestimmtes stehen und dies in bestmöglicher Qualität anbieten.

Natürlich gibt es auch für „Me Too Produkte“ oder Sender, die vor allem auf Lokalität als USP setzen, einen Markt, der ein gutes Auskommen ermöglicht – wenn man seine „Hausaufgaben“ macht:
– das Musikprogramm auch Homogenität prüfen und auf etwas verzichten, um mehr zu bekommen. Wer alles spielt, befriedigt keine Zielgruppe dauerhaft.
– Morgenshow coachen, kontrollieren. Themen, Umsetzung, Längen ständig überprüfen. Strategisches Verkaufen und Teasen einfordern.
– Tagesprogramm von Ballast befreien. Moderatoren wöchentlich airchecken. Auch hier: Strategisches Verkaufen und Teasen einfordern.
– On Air Promotion strategisch ausrichten und On Air Promotion Airchecks einführen.
– Konkurrenz im Verhältnis zum eigenen Produkt regelmäßig analysieren und Programm und On Air Promotion entsprechend anpassen.

Das klingt alles selbstverständlich. Aber ist es das auch? Kürzlich fragte mich in einem Moderationsseminar jemand: „Was ist eigentlich On Air Promotion“ und als ich es erklärt hatte, kam die Anmerkung: „Ach wirklich? Bei uns ist das die Abteilung, die die verkauften Gewinnspiele ins Programm bringt.“ On Air Promotion in Elementen und in der Moderation ist Markenbildung on air. Es gibt also noch eine Menge Nachholbedarf bei den Hausaufgaben zur Markenbildung. Und es gibt eine Menge Nachholbedarf bei einigen Sendern, was Musikzusammenstellung, Erscheinungsbild der Morningshow und Durchhörbarkeit des Tagesprogramms betrifft. Es ist höchste Zeit, diese Hausaufgaben zu machen und zu verstehen, was alles dazu gehört, um eine starke Radiomarke zu implementieren, die genug Strahlkraft hat, um neue Wettbewerber in den Schatten zu stellen.

Viel Spaß dabei,

Ihre
Yvonne Malak
www.my-radio.bizYvonne Malak ist Radioberaterin und berät eine Vielzahl von Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Yvonne Malak schreibt monatlich für die radioWOCHE. Die nächste Ausgabe erscheint am 01. November 2014.

Alle bisher veröffentlichten Publikationen von Yvonne Malak finden Sie auch unter www.my-radio.biz/category/publikationen/radiowoche/

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