USA: Parlaments-TV und Radio übertragen Sit-in im Repräsentantenhaus via Periscope

Vor einigen Stunden hatte der amerikanische Parlamentskanal C-SPAN seinen großen Moment. Die Demokraten im House of Representatives veranstalten ein Sit-in, um eine Abstimmung über schärfere Waffenkontrollen zu erzwingen. Diese hatte ihnen die republikanische Mehrheit verweigert. Der Geist der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre weht durch das Parlament. Eine große Zahl demokratischer Abgeordneten probt den Aufstand, hält Reden, zeigt Bilder von Opfern von Waffengewalt, singt ab und an „We shall overcome“ und skandiert „No Bill, no Break“. Die Demokraten wollen so erzwingen, dass noch vor der anstehenden Parlamentspause rund um den Nationalfeiertag über den Gesetzentwurf abgestimmt wird. Die Kameras des Parlamentsfernsehen und die Mikrofone im Saal wurden nach Beginn der Aktion abgeschaltet, da sich das Repräsentantenhaus in keiner offiziellen Sitzung mehr befindet. C-SPAN, das als Public Service-Angebot von den amerikanischen Kabelbetreibern produziert und durch einen Aufschlag auf die Kabelgebühren finanziert wird, hat keine eigenen Kameras und Mikrofone vor Ort, sondern greift den Feed ab, den ihm die Kammern des Parlaments zur Verfügung stellen. Die demokratischen Abgeordneten umgehen die Abschaltung des TV-Signals, indem sie ihre Protestaktion gegen die Hausregeln seit Stunden via Periscope und Facebook Live streamen.

C-SPAN entschloss sich spontan diese unauthorisierten Live-Feeds über den Sender zu schicken, ein Novum in seiner bis 1979 zurückreichenden Geschichte. Das sonst immer etwas biedere Parlamentsfernsehen mit seinen endlosen Live-Übertragungen aus Repräsentantenhaus und Senat, das selbst politikinteressierte Amerikaner kaum wirklich schauen, hatte selten so viel Aufmerksamkeit. C-SPAN begründet die Übertragung der etwas anderen Art mit seinem Auftrag den amerikanischen Bürgern zu zeigen, was im Kongress vor sich geht. Die Live-Übertragung hat den Charme des Unperfekten – Leute laufen ins Bild, man hört Gespräche im Hintergrund, Rufe, Streit, Jubel, gelegentlich stockt der Feed. Das Sit-in könnte vielleicht auch C-SPAN bei seinem Wunsch helfen endlich eigene Kameras im Parlament zu bekommen, die nicht vom Parlament und somit den Parteiführungen kontrolliert werden. Das versucht man schon seit Jahren zu erreichen, ohne Erfolg bis jetzt, da beide Parteien daran bisher kein gesteigertes Interesse hatten. Auch über C-SPAN Radio hört man die Reden aus dem Congress mit einem Kommentar, der ergänzend die Ereignisse im Saal schildert. Das Parlamentsradio sendet in Washington D.C. auf 90,1 MHz und im HD Radio, im Netz und über das US-Satellitenradio XM. Das Audiosignal kommt via Periscope und Facebook Live ins Radio.

Auch ein guter Tag für die Netzgiganten Twitter, zu dem Periscope gehört, und Facebook, deren Livestreaming-Apps und Features prominent zum Einsatz kommen.

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