Die mediale Seite des Ukraine-Konflikts

Immer neue Krisenherde treten aktuell in schneller Abfolge in das öffentliche Bewusstsein. Das lässt einem leicht vergessen, dass im Osten der Ukraine immer noch ein Konflikt vonstattengeht, der weiterhin Todesopfer fordert und viel Leid verursacht. Radio ist dort zu einer hoch politischen Angelegenheit geworden. Denn die neuen Grenzen, die dieser Konflikt de facto geschaffen hat, spiegelt auch die Medienlandschaft vor Ort längst wider.
In den sich einseitig für unabhängig erklärten Republiken Donezk und Lugansk sind mittlerweile eigene russischsprachige Medien der prorussischen Separatisten wie Radio Respublika entstanden. Zahlreiche kommerzielle Radioketten aus Russland, das die Separatisten unterstützt, sind mittlerweile über UKW-Frequenzen in den beiden Städten zu hören – aber auch staatliche russische Programme wie der Auslandsdienst Sputnik oder die Infowelle Vesti FM zeigen Präsenz. Die ukrainischen Programme wurden im Gegenzug abgeschaltet, die Medienlandschaft reflektiert die neuen Machtverhältnisse.

Ukraine sendet weiter für den Donbass
Es ist ein Konflikt, der nicht zuletzt auch in den Medien ausgefochten wird. Ein Kampf um die Meinungsmacht im Donbass ist entbrannt. Auch wenn militärisch und politisch die Gebiete im Osten für die Ukraine auf absehbare Zeit verloren scheinen, so will sie diese wenigstens nicht medial preisgeben und ihre Sicht der Dinge weiter zu Gehör bringen. Da die UKW-Infrastruktur in den Separatistengebieten für ukrainische Radioprogramme nicht mehr zugänglich ist, wird nun von der ukrainischen Seite der neuen Grenzen gesendet. Die staatlichen Regionalprogramme Stimme des Donbass und Radio Kiew-Donbass strahlen seit diesem Sommer von sieben UKW-Standorten an der Demarkationslinie in Ukrainisch gen Osten, weitere Sendezeit nutzt das amerikanische Radio Svobodna (Liberty). Auch das ukrainische Regionalprogramm für Lugansk – Pulse FM – ist nach einer Pause wieder auf 105,9 MHz zu hören. Zu den staatlichen Akteuren tritt das private, nichtkommerzielle Infoprogramm Hromadske Radio, das ebenfalls von der ukrainischen Seite auf UKW in die Region im Osten hineinsendet. Eine Situation, wie wir sie aus dem Deutschland vor der Wende kennen. Damals sendeten Deutschlandfunk, RIAS und Stimme der DDR von Sendemasten entlang der innerdeutschen Grenze nach Ost bzw. West und transportierten so ihre jeweiligen politischen Inhalte in das Nachbarland. Ganz aus der Mode gekommen war die Idee auch zwischenzeitlich nicht. Polen und Weißrussland beschallen sich seit Jahren an der gemeinsamen Grenze mit Radio Racja und Radio Belarus gegenseitig.

Army FM – Ukraine baut Armeeradio auf
Radioprogramme für Soldaten im Auslands- oder Kriegseinsatz haben eine lange Tradition – nicht zuletzt im Kalten Krieg, dessen kleines Revival wir aktuell in der Ukraine erleben. AFN, BFBS, CFN, FFB oder Radio Wolga sind Hörern in West- wie Ostdeutschland noch gut vertraut oder sogar immer noch auf Sendung. Die Ukraine hat seit März mit Army FM ihr eigenes Armeeradio, das an der Front im Osten des Landes die Moral der Truppe heben soll. Finanziell unterstützt wird es von der konservativen US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Spirit of America, die sich als Unterstützer amerikanischer außenpolitischer Interessen versteht.

Ukrainisches Radio für die Krim
Auch auf der Krim wurde die Radiolandschaft komplett ausgewechselt. Russland hat eine russischsprachige regionale Sendeanstalt aufgebaut und das Radioangebot auf UKW gleicht nun dem in anderen russischen Regionen. Für die Ukraine hat dadurch der 20.000 Seelen-Ort Henitschesk im Bezirk Cherson eine große Bedeutung bekommen. Das Städtchen am Asowschen Meer liegt nämlich der Krim genau gegenüber, von einem Sendemast dort versucht die Ukraine seit diesem Jahr auf die Halbinsel hinüberzusenden. In den Grenz- und Frontgebieten können dafür vereinfacht temporäre UKW-Lizenzen vergeben werden. Das erste Programm des ukrainischen Rundfunks bekam so die Frequenz 101,4 MHz zugesprochen, das nationale Programm aus Kiew wird zusätzlich um Regionalsendungen für die Krim ergänzt.

Krimtatarisches Meydan FM wieder auf UKW
Eine besondere Rolle nimmt die Minderheit der Krimtataren ein, deren politische Vertretung sich gegen die Annexion ausgesprochen hatte. Das krimtatarische Programm Meydan FM verlor 2015 auf der russisch gewordenen Krim seine Lizenz. Dort hat stattdessen seit diesem Frühjahr ein staatliches russisches Programm in der Sprache der Krimtataren die ehemaligen Frequenzen von Meydan FM übernommen. Dem Sender blieb nur der unfreiwillige Gang ins Exil nach Kiew, wo er  zunächst als Internetradio weitermachte. Seit diesem Sommer sendet Meydan FM in Henitschesk auf 90,8 MHz und kann so zumindestens im Norden der Krim wieder gehört werden.

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