Tarifstreit bei Radio Hamburg: Betriebsvereinbarung abgeschlossen – Gewerkschaften wollen weiter für Tarifvertrag kämpfen

Geschäftsführung und Mitarbeitervertretung von Radio Hamburg haben sich auf eine Betriebsvereinbarung verständigt. Diese soll laut Radio Hamburg-Geschäftsführung das Engagement der Mitarbeiter „verstärkt anerkennen“. Die Gewerkschaften, die weiterhin einen Tarifvertrag fordern, saßen allerdings nicht mit am Tisch.

Die getroffene Vereinbarung sieht vor, dass festangestellte Mitarbeiter ab sofort 3.000 Euro brutto mehr im Jahr erhalten, Azubis zahlt der Sender künftig monatlich 200 Euro netto Mietkostenzuschuss. Die Arbeitszeit wird für alle auf 37,5 Stunden pro Woche verkürzt. Zudem wird es einen Bonus von 1.000 Euro für jeden Mitarbeiter als Anerkennung für die positiven Resultate bei der vergangenen MA-Runde geben.

„Der konstruktive Dialog über die Anliegen unserer Mitarbeiter hat zu einem positiven Ergebnis mit klaren Verbesserungen für das gesamte Team geführt“, erklärt Radio Hamburg-Geschäftsführer Patrick Bernstein. „Obwohl wir – wie nahezu alle privaten Sender – bereits vor 15 Jahren aus dem Tarifvertrag ausgestiegen sind, ist die Fluktuation bei Radio Hamburg sehr gering. Die Leistung unserer Mitarbeiter entlohnen wir über dem branchenüblichen Niveau – das werden wir jetzt noch ausbauen“, sagt Co-Geschäftsführer Marzel Becker.

Ausgestanden ist der Konflikt damit aber noch nicht. Denn die Gewerkschaften halten ihre Forderung nach dem Abschluss eines Haustarifvertrags weiterhin aufrecht. „Die Betriebsvereinbarung ersetzt nach Jahren ohne Gehaltserhöhung keinen Tarifvertrag mit linearen Gehaltssteigerungen“, sagt Stefan Endter, Geschäftsführer des Landesverbands Hamburg des Deutschen Journalistenverbands. Die Gehälter von Neueinsteigern lägen auch nach der Erhöhung immer noch erheblich unter den Tarifgehältern. „Respektieren Sie den Wunsch Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach angemessenen tariflichen Arbeitsbedingungen und kommen Sie an den Verhandlungstisch. Wer wirtschaftlich so erfolgreich ist wie Radio Hamburg, kann Tarifgehälter zahlen“, appelliert er an die Senderspitze.

„Die Gewerkschaften wollten unsere prominente Marke für ihre Zwecke nutzen. Dafür möchten wir uns nicht hergeben. Lieber haben wir mit der Einigung auf die Betriebsvereinbarung im respektvollen Miteinander ein Zeichen gesetzt“, sagt Bernstein. „Die Atmosphäre in den vergangenen Monaten im Sender war produktiv“, sagt Co-Chef Becker, der „Störfeuer“ von Seiten der Gewerkschaften kritisiert. „Die Gewerkschaften sind nichts Abstraktes, sondern die Forderung nach einem Tarifvertrag kommt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Radio Hamburg, die unsere Mitglieder sind und darüber abstimmen“, entgegnet Endter. Mehr als 75 Prozent der Mitarbeiterschaft von Radio Hamburg sind gewerkschaftlich organisiert.

Beide Parteien hatten sich in den zurückliegenden Wochen ein kleines PR-Duell geliefert und ihren Streit verstärkt in der Öffentlichkeit ausgetragen. Die Gewerkschaften ver.di und DJV haben die Kampagnen-Webseite www.wirsindradio.hamburg ins Leben gerufen, auf der sie ihren Standpunkt klarmachen. In einem Video-Aufruf untermauern die Mitarbeiter ihre Forderung nach einem Tarifvertrag. „Das Video, das die Beschäftigten gedreht haben, wurde nicht von uns initiiert, sondern es entstand aus eigenem Antrieb“, sagt Endter.

Die Radio Hamburg-Geschäftsführung konterte mit einem Faktencheck aus ihrer Perspektive auf der Webseite www.wirsindradiohamburg.de. Zudem stellte sie beim Arbeitsgericht Hamburg einen Unterlassungsantrag, der den Gewerkschaften die Verwendung der Domain www.wirsindradio.hamburg  aus marken- und namensrechtlichen Gründen untersagen sollte. Das Hamburger Gericht wies den Antrag allerdings am 26. September zurück. „Wir werden die Kampagne fortsetzen und planen weitere Aktionen“, kündigt Endter an.

Die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter hatten sich auch mit einem offenen Brief direkt an die Radio Hamburg-Gesellschafter, unter ihnen Springer, Bauer und Bertelsmann, gewandt. Eine Reaktion sei allerdings bisher ausgeblieben, heißt es dazu aus dem Gewerkschaftslager.

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