Radio in Neufundland

Viel hat nicht gefehlt, nur ein paar Tausend Stimmen am Ende, und Neufundland wäre ein unabhängiger Staat und nicht die östlichste Provinz Kanadas geworden. Es brauchte 1948 zwei Volksabstimmungen bis der Beitritt zur kanadischen Föderation die nötige Mehrheit erhielt.

1939 bekam die damals britische Kolonie Neufundland eine staatliche Hörfunkanstalt – die Broadcasting Corporation of Newfoundland. 1949 ging sie als Regionalstudio im kanadischen Rundfunk CBC auf, eine ihrer letzten Sendungen war die Übertragung des zweiten Referendums. CBN – wie das Regionalstudio heute heißt – sendet von der Hauptstadt St. John’s aus auf der Mittelwellenfrequenz 640 kHz das englischsprachige Programm von CBC Radio One, ergänzt um lokale Sendeinhalte. Erst seit August 2016 hat man auch eine UKW-Frequenz für St. John’s (88,5 MHz, 3 Kilowatt Sendeleistung). In anderen Städten der Provinz sendet CBN-AM allerdings schon länger über UKW. Das 1975 gestartete CBC Radio 2, das in Neufundland als CBN-FM auftritt, sendet ebenfalls über UKW. Auch die beiden französischsprachigen Programme Ici Radio-Canada Première  und Ici Musique des französischsprachigen Teils des kanadischen Rundfunks sind auf UKW zu hören. Der Privatradiomarkt in der kleinen Provinz wird von einem maßgeblichen Akteur dominiert – Newcap Radio, die Nummer Zwei im gesamtkanadischen Privatradiomarkt, hält die meisten UKW- und Mittelwellenlizenzen. Die Newfoundland Broadcasting ist mit Oz FM der Hauptmitbewerber. Aufgebaut wurde sie von Neufundlands schillernden Radiopionier Geoff Stirling. Die kleine frankophone Community versorgt Rafale FM, das auf drei UKW-Frequenzen in der Provinz sendet.

1867 hatten sich die britischen Kolonien in Nordamerika zum Dominion Kanada zusammengeschlossen und Selbstverwaltung erlangt. Neufundland, das der kanadischen Ostküste vorgelagert liegt, ging einen eigenen Weg und votierte 1869 gegen einen Beitritt – die Insel blieb deshalb britische Kronkolonie und erlangte 1907 selber den Dominion-Status und damit die erweiterte Selbstverwaltung. Gründe für den Sonderweg waren handfeste wirtschaftliche Interessen – die Insel lebte von ihrer Fischindustrie, vor allem dem Kabeljau-Export nach Europa und in die USA. Kanada setzte aber zu dieser Zeit auf eine protektionistische Zollpolitik, die den Interessen der Insel entgegenstand. Auch der recht hohe Anteil an Katholiken, die dem protestantisch dominierten neuen kanadischen Staat misstrauten, hatte seinen Anteil an der Entscheidung. Die Weltwirtschaftskrise traf in den frühen 1930ern die Insel hart, in der Folge kam es zu sozialen Unruhen. Die Briten setzten deshalb die parlamentarische Selbstverwaltung außer Kraft und installierten eine von ihnen berufene Expertenregierung. Dabei blieb es bis in die Nachkriegszeit. Bei der ersten Volksabstimmung 1948 hatten die Neufundländer drei Optionen zur Auswahl – die Vereinigung mit Kanada, die Unabhängigkeit oder weiter eine britische Kronkolonie zu bleiben. Die Unabhängigkeit unterstützten 45% der Wähler, rund 41% waren für den Beitritt zur kanadischen Konföderation, ein Fortbestehen als Kronkolonie wollten die Wenigsten  – im zweiten Referendum setzten sich dann die Kanada-Befürworter mit rund 52 Prozent knapp durch. 1949 wurde der Beitritt vollzogen. Lange war die Provinz, die bis 1980 weiter den britischen Union Jack als Landesflagge verwendete, als das Armenhaus Kanadas bekannt. Wegen Überfischung war die einstige Lebensgrundlage der Insel, der Kabeljau, verschwunden. In den letzten Jahren seit der Jahrtausendwende haben Ölfunde vor der Küste einen kleinen Wirtschaftsboom ausgelöst, der sinkende Ölpreis auf dem Weltmarkt hat diese Aufbruchsstimmung allerdings zuletzt wieder eingetrübt.
Die Provinz heißt genaugenommen Neufundland und Labrador. Sie schließt einen wesentlich größeren Landesteil auf dem Festland ein, Labrador. Die dünn besiedelte Region grenzt an Quebec an. In Neufundland und Labrador leben rund 500.000 Menschen, die Mehrzahl von ihnen auf Neufundland und dort besonders in der Hauptstadtregion St. John’s (200.000 Einwohner). Im Gegensatz zu Quebec gibt es in Neufundland heute keine separatistische Bewegung, auch wenn sich die Region eine starke eigene Identität bewahrt hat und sich die Insulaner als Neufundländer und weniger als Kanadier sehen.

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