Neues Stadtradio in Madrid – Radiolandschaft in Spanien

eusmall_886Madrid hat seit einigen Tagen wieder einen städtischen Radiosender. Radio 88.6 M21Directo ist auf der UKW-Frequenz 88,6 MHz im Testbetrieb. Hinter dem Projekt steht der Madrider Stadtrat. Aktuell erstellt das junge Team zweimal am Tag, um 13 und 19 Uhr, eine einstündige Sendung. Früher sendete auf der 88,6 MHz mit Canal Empleo ein städtisches Weiterbildungsprojekt des Madrider Arbeitsamtes, dann schwieg die Frequenz ganz.

Englisch lernen übers Radio
Spaniens Radiolandschaft bietet mit ihrer Mischung aus lizenzierten und unzähligen nicht lizenzierten, aber irgendwie mehr oder minder geduldeten Sendern, Raum für allerlei Kurioses. Neue Projekte suchen sich meistens einfach eine (fast) freie Ecke im UKW-Band und harren der Dinge, die da kommen oder auch nicht. Ein solcher ungewöhnlicher Sender ist Vaughan Radio, das in den spanischen Großstädten auf UKW sendet. Das Programm besteht hauptsächlich aus Englischkursen und Sendungen zum Verbessern der Englischkenntnisse. Hinter allem steht Richard Vaughan – ein US-Amerikaner, der in den 1970er Jahren zum Studium nach Spanien kam und blieb. Über die Jahre hat er ein kleines Unternehmensimperium mit Sprachschulen, Sprachkursen und Lernmaterialien aufgebaut. 2003 startete er sein Radioprojekt, um für sein Lernkonzept zu werben, auch einen Fernsehkanal gibt es mittlerweile. Zu Beginn sendete man als Radiopirat ausschließlich auf illegalen Frequenzen, wie Vaughan in einem Interview freimütig erzählt. Mitte 2014 konnte in Madrid eine legale Frequenz erworben werden. Vaughan Radio nutzt die 100,4 MHz von Radio Círculo, dem Kulturradio des Círculo de Bellas Artes. Radio Circulo, eine Stimme der Madrider Kulturszene, sendet seitdem nur noch als Webradio. Der Schritt war nötig geworden, da das klamme Madrid in der Finanzkrise der „Gesellschaft der schönen Künste“ Fördergelder gestrichen hatte.

Radiolandschaft in Spanien

Radio Nacional de
España
Der öffentlich-rechtliche spanische Rundfunk RNE betreibt vier landesweite Hörfunkprogramme. Am erfolgreichsten ist das erste Programm (8,7% Marktanteil), das aber in der Hörergunst weit hinter der privaten Konkurrenz rangiert. Dazu kommen RNE Radio 3 (2,8%), die Infowelle Radio5 (1,6%) und Radio Clasíca (1%). Für Katalonien sendet zusätzlich Radio 4 in Katalanisch.

Regionalsender
Die meisten der spanischen Autonomen Gemeinschaften, vergleichbar mit den deutschen Bundesländern, haben zusätzlich eigene Rundfunkanstalten aufgebaut. In Madrid ist es die Onda Madrid, die aber wenig Resonanz erfährt und in der Finanzkrise personell stark geschrumpft wurde. In den Regionen mit einer eigenen Sprache gibt es solche Landesrundfunkanstalten schon seit den 1980er Jahren. Sie haben eine wesentlich größere Hörerschaft. Catalunya Radio (3,8%) in Katalonien produziert vier Programme (Catalunya Informació (0,4%), Catalunya Music, iCat FM) auf Katalanisch – seit 2012 sind aber nur noch drei Programme über UKW zu hören, die Kulturwelle sendet seitdem aus Kostengründen nur noch digital. Der baskische Rundfunk eitb unterhält fünf Hörfunkprogramme – Radio Euskadi (1,2%) und Radio Vitoria auf Spanisch sowie Euskadi Irratia (0,7%), Gaztea (0,4%) und EITB Musika auf Baskisch. Radio Galega (1%) betreibt zwei Programme in Galicisch. Auch in Andalusien, das ebenfalls bereits seit den 1980ern Autonomierechte genoss,  gibt es drei Programme – Canal Sur Radio (2,6%), Canal Fiesta und Andalucia Información. Auf den Balearen und den Kanaren bestehen mit iB3 Radio und Canarias Radio ebenfalls regionale Sender.

Privatradios – PRISA dominiert
eusmall_serVon der Mediengruppe PRISA kommt mit einem Marktanteil von rund 35% Spaniens mit Abstand meistgehörtes Radiovollprogramm Cadena SER. Zur Senderfamilie des Herausgebers der Tageszeitung El Pais und des Sportblattes AS gehören auch die Musikradios Los 40 Principales (15% Marktanteil), M80 Radio (2,9%), Cadena Dial (13%), Máxima FM (2,8%) und Radioolé (3,4 %). Im Zuge der Finanzkrise stellte man 2012 das moderierte Programm auf Ona FM, bis dahin PRISAs Sender in Katalonien, ein und ersetzte es zunächst durch ein reines Musikprogramm. Anfang 2015 verschwand die Marke in Gänze und die Frequenzen wurden von Cadena SER Catalunya eusmall.kebuenaübernommen. 2013 holte PRISA hingegen, das auch massiv in Mittel- und Südamerika engagiert ist, seine junge mexikanische Radiomarke Ke Buena nach Spanien – das Programm mit Reggaeton- und Electro Latino-Musik startete in Madrid auf 103,9 MHz und richtet sich an lateinamerikanische Einwanderer. Die Mediengruppe, die hoch verschuldet ist, gehört mittlerweile neben der Gründerfamilie diversen spanischen wie internationen Großbanken und Fonds, dem spanischen Telekomunternehmen Telefonica sowie Investoren aus Mexiko und Katar.

Medienimperium der katholischen Kirche
eusmall_copeDie zweite große private Sendergruppe ist COPE. Hinter ihr steht die katholische Kirche, vertreten durch die Bischofskonferenz, die Diözesen und religiöse Orden wie Jesuiten und Dominikaner. Das Hauptprogramm COPE ist Spaniens zweitmeistgehörte Station (rd. 17% Marktanteil). Die Gruppe betreibt zudem drei Musikprogramme: Cadena 100 (10%), Rock FM (bis 2011 Rock e Gol -rd. 6%) und MegaStar FM (1,4%). Verbunden mit COPE ist der spanische Ableger von Radio María. Die baskische Station Herri Irratia wurde hingegen 2010 an das Regionalradio Onda Vasca verkauft. 2013 konnte die COPE den Konkurrenten ABC Punto Radio von der Verlagsgruppe Vocento (Tageszeitung ABC) übernehmen. Dessen Frequenzen wurden zwischen den Programme der COPE-Senderfamilie aufgeteilt, mit Ausnahme der Frequenzkette in Kastilien-Leon, die von esRadio übernommen wurde, und von Partnerstationen. COPE und Vocento gingen eine strategische Partnerschaft ein und tauschen Inhalte aus.

eusmall_ondaceroAntena 3 und Kiss FM
Die dritte Privatradiogruppe in Markt ist die Grupo Planeta um den Fernsehkanal Antena 3. Zu ihr gehören Onda Cero (14,6% Marktanteil) und die Musikformate Europa FM (10%) und Melodia FM (1,4%). Die deutsche RTL Group hält einen Anteil von 18,7 Prozent an Atresmedia, der Gesellschaft hinter Antena 3. Hinter Kiss FM (5% Marktanteil), Hits der 90er und 00er, steht der Unternehmer Blas Herrero. Zu dessen Senderfamilie zählt auch Hit FM (0,7%).

Kleinere Networks: Konservativ, Sport, Wirtschaft und Dance
2010 startete neu das konservative EsRadio der Internetzeitung Libertad Digital (2,9%). Das Sportformat Radio Marca ist ein Ableger der gleichnamigen populären Sporttageszeitung, im fußball- und sportbegeisterten Spanien kommt es auf 2,7% Marktanteil. Zwei Wirtschaftsradios kämpfen um diese kleine Zielgruppe. Radio Intereconomía gibt es schon seit 1994, man betreibt auch noch Radio Inter, das 2009 übernommen wurde. Radio Inter sendete früher in Madrid über Mittelwelle und wurde 1950 noch zu Franco-eusmall_locafmZeiten gegründet. 2014 stellte die Grupo Intereconomía Interpop, das dritte Format der Senderfamilie, ein und verschmolz es mit Radio Inter. Der Mitbewerber Gestiona Radio ging erst 2009 auf Sendung, die COPE-Gruppe stieg 2010 als Hauptgesellschafter aus und verkaufte ihre Anteile an das Sendermanagement. Das Danceformat Loca FM nutzte ab 2012 den Markennamen Fun Radio der französischen RTL-Gruppe, am 1. Januar 2015 kehrte man zum ursprünglichen Namen zurück. Mittlerweile hat sich der Sender einen neuen Look verpasst und neue Studios bezogen. Loca FM sendet auf rund 23 UKW-Frequenzen in Spanien. Auf der Partyinsel Ibiza hat man erst vor wenigen Tagen die 96,9 MHz reaktiviert, die Loca FM schon früher nutzte, aber die seit Monaten schwieg. Ein kleinerer Mitbewerber ist das Danceformat Unika FM, das in Madrid, Pamplona, Murcia und Almería sendet.

Katalonien
In Katalonien existieren eigene Sendefamilien – Rac1 (6,7%) und Rac 105 (1,2%) der Verlagsgruppe Godó, sowie Flaix FM (1,2%) und Flaixbac (1,3%). Das katholische Erzbistum Barcelona betreibt Radio Estel. Viele kommunale Sender arbeiten im La Xarxa-Verbund zusammen. Im ganzen Süden Spaniens sendet Radio Tele Taxi (1,3%).

Dazu kommen unzählige Regional- und Lokalsender – legale wie geduldete – sowie öffentliche kommunale Lokalsender der Gemeinden. Jede Gemeinde in Spanien hat das Recht einen kommunalen Sender aufzubauen, teilweise werden die Lizenzen aber auch an private Projekte weitergereicht.

Die Marktanteile beziehen sich auf die spanische Quotenmessung EGM der Asociación para la Investigación de Medios de Comunicación (AIMC) April 2015-März 2016, Mo-Fr, Marktanteil, spanienweite Quote, Angaben ohne Gewähr.

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