MEHR! Radio will in Düsseldorf DAB+ Multiplex betreiben

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist in der Vergangenheit nicht gerade als Motor der Hörfunkdigitalisierung bekanntgeworden. Die letzte Ausschreibung für DAB+-Kapazitäten fand im Jahr 2012 statt. Potentielle Kandidaten beißen in NRW auf Granit. In der jüngsten Sitzung der Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW erhielt nun „MEHR! Radio“ eine Sendelizenz ohne Verbreitungsweg. Wo und wann das Programm auf Sendung gehen wird, verrät uns Stefan Kleinrahm, Gesellschafter von „MEHR! Radio“.

Die Mitglieder der Medienkommission der LfM NRW berieten am 16. und 17. März 2018 auf ihrer Klausurtagung in Düsseldorf über den regionalen Zuschnitt der DAB+-Multiplexe in NRW. „MEHR!Radio“ will einen Multiplex für die Landeshauptstadt Düsseldorf betreiben. (Grafik: Marek Schirmer)

radioWOCHE: Die Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW hat in ihrer 31. Sitzung einstimmig der „MEHR! Radio UG“ eine Sendelizenz erteilt. Wo und wann werden unsere Leser ihr Radioprogramm empfangen können?
Kleinrahm: Der Verbreitungsweg ist DAB+ und es handelt sich um ein Ballungsraumradio im Raum Düsseldorf. Der Zeitpunkt ist noch unklar, wir haben jetzt die Lizenz zur Veranstaltung des Programms, aber wir brauchen noch eine Übertragungskapazität, die haben wir im Moment noch nicht.

radioWOCHE: Die Lizenz wurde an ein regionales Spartenprogramm erteilt. Welche Sparte wird ihr Programm bedienen?
Kleinrahm: Die Sparte ist „Musik und Unterhaltung“. Das liegt daran, dass es nur die vier Sparten gibt: „Bildung“, „Beratung“, „Information“ und „Unterhaltung“. Wir haben uns für ein moderiertes Radioprogramm entschieden in der Sparte „Unterhaltung“.

radioWOCHE: Wie konkret sind ihre Programmplanungen bzgl. der Inhalte oder Musikfarbe?
Kleinrahm: Die haben wir natürlich schon ausgeplant, insbesondere was die Musikfarbe und die Inhalte betrifft. Die Inhalte sind ein moderiertes Programm mit Meldungen und Information mit dem Schwerpunkt Moderation. Es wird auch Korrespondentenberichte und Nachrichten geben, die wir dann zukaufen werden. Gebaute Beiträge oder Reportagen werden wir selber nicht machen.

radioWOCHE: Wofür steht das „mehr“ mit dem Ausrufezeichen im Namen ihres Senders?
Kleinrahm: Erstmal sind wir als Radiomacher Leute, die finden, es müsste mehr Radio geben. Der Name ist praktisch Programm. Wir möchten mehr Radio, wir möchten mehr Vielfalt, und deswegen ist das ein Grund, weswegen wir uns für „Mehr!Radio“ entschieden haben. Das ist eine Bezeichnung, die wir passend finden. Wir wollen mehr „außenplurale Vielfalt“. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen eine Situation, dass wir nur ein Privatradio haben – ein einziges – nämlich die Lokalradios. Sie wissen wahrscheinlich auch, dass die Radiomacher in Nordrhein-Westfalen seit Jahren die „außerplurale Vielfalt“ – das heißt mehr Sender in der Luft – erhöhen möchten, um mehr Vielfalt zu haben. Das transportiert der Begriff „Mehr Radio“.

radioWOCHE: Im Januar 2017 haben sie ihr Unternehmen gegründet, im Februar 2018 haben sie ihre Sendelizenz erhalten, wie schätzen Sie die Situation in NRW ein, wann wird das Signal vom „MEHR! Radio“ das erste Mal zu empfangen sein?
Kleinrahm: Realistisch gesehen gehe ich nicht mehr von diesem Jahr aus. Das hängt damit zusammen, dass wir die Übertragungskapazität brauchen. Die LfM – die Medienbehörde bei uns – erkennt unseren Bedarf an, zögert aber noch, weil sie einen Konflikt mit den bestehen Lokalradios sieht. Unserer Auffassung nach gibt es dafür keinen Anlass. Der Konflikt besteht nicht. Im Gegenteil, wir haben der Medienanstalt angeboten und bieten den Verlegern, den Platz im Multiplex für ihre Lokalradios freizuhalten, damit es für die Verleger die Möglichkeit gibt, später einzusteigen.

radioWOCHE: Man weiß nicht, welchen Multiplex die Verleger nutzen wollen, ob den Regionalmultiplex für den Niederrhein oder einen Lokalmultiplex für die Stadt Düsseldorf. Das heißt „MEHR! Radio“ bewirbt sich um einen lokalen Multiplex für die Region Düsseldorf?
Kleinrahm: Es gibt die 45 Verbreitungsgebiete, also auch die 45 Lokalradios und für unser Verbreitungsgebiet – was der Ballungsraum Düsseldorf ist – wären natürlich die Plätze für die Verleger frei, weil wir die freihalten. Wo die Verleger hinmöchten, haben sie sich noch nicht geäußert. Sie haben die Möglichkeit, auf der Plattform ihre Programme unterzubringen.

radioWOCHE: Warum bewerben Sie sich um DAB+ und nicht um UKW?
Kleinrahm: Weil es nicht geht. In Nordrhein-Westfalen ist die Situation so, dass es mehrere Versuche gegeben hat, zusätzliche UKW-Frequenzen zu besetzen. Die Frequenzen wurden auch teilweise durch die Bundesnetzagentur benannt, die aber mehr oder weniger im Nirvana verschwunden sind und daher nicht nutzbar waren. Ein UKW-Betrieb für neue Anbieter ist de facto in Nordrhein-Westfalen nicht realistisch. DAB+ bietet sich natürlich da an, weil es mehr Programmplätze bietet.

radioWOCHE: Es gibt in NRW „eingefrorene“ UKW-Frequenzen, nach einem Versuch durch die LfM NRW, die Frequenzen an einen Anbieter zu vergeben und Frequenzen des britischen Soldatensenders BFBS, die an das Land NRW zurückgegeben werden sollen. Glauben Sie, dass man sich um diese Frequenzen bewerben können wird?
Kleinrahm: Davon gehen wir nicht aus.

radioWOCHE: Wie schnell rechnen Sie mit einer Kapazitätszuweisung, und wie schnell wäre der Sendestart danach möglich?
Kleinrahm: Die Kapazitätszuweisung liegt natürlich nicht in unseren Händen, das kommt eben darauf an, dass die LfM eine Kapazität ausschreibt, auf die man sich dann bewerben kann. Das findet im Moment noch nicht statt. Letztlich lässt sich das erst absehen, wann es stattfindet. Meine Einschätzung ist, dass es in diesem Jahr nicht mehr klappen wird. Sollte die Kapazität zugewiesen sein, denke ich, dass wir den Sendebetrieb in sechs Monaten realisieren können.

radioWOCHE: Im Düsseldorfer Medienhafen ragt der hohe Rheinturm aus dem Boden, von dort werden die Hörfunk- und Fernsehprogramme digital für die Landeshauptstadt abgestrahlt. Mit jedem Meter eines Turmes steigt auch der Preis für die Anbringung der Sendeantennen, je höher umso teurer wird es. Ihr Unternehmen ist auf dem Düsseldorfer Hochplateau angesiedelt. Da bieten sich für „MEHR! Radio“ andere Möglichkeiten an? Strebt „MEHR! Radio“ den Sender selbst zu betreiben? Haben Sie schon einen besseren Standort als den Rheinturm gefunden?
Kleinrahm: Die beiden letzten Fragen: Ja und ja. Ich gehe jetzt genauer darauf ein. Ja, wir möchten nicht nur den Multiplex als Plattformbetreiber betreiben. Wir haben als Standort „Düsseldorf 4“ gewählt, der Funkturm befindet sich in Düsseldorf-Gerresheim. Der Turm gehört der DFMG Deutsche Funkturm.

radioWOCHE: Es gab schon einmal in Düsseldorf ein Stadtteilmagazin mit dem gleichen Namen, und es gibt Parallelen, denn Lutz Sonntag war damals auch schon dabei. Wird „Mehr!Radio“ zu einem neuen Stadtteilmagazin?
Kleinrahm: Lutz Sonntag ist einer der Gesellschafter von „MEHR! Radio“. Lutz Sonntag hat damals auch das Stadtteilmagazin „Mehr“ gemacht. Das gibt es aber nicht mehr.

radioWOCHE: Schaut man sich die Liste der Gesellschafter von „MEHR! Radio“ an, dann ist dabei der IT-Spezialist und erfahrene Freifunker Michel Theine-Dimt, die Hörfunkjournalisten Dirk Rosenberg und Sie, Stefan Kleinrahm, sowie Lutz Sonntag, der ebenfalls große redaktionelle Erfahrung hat, und Richard Zyla, der aus Werbeverkauf kommt. Haben sich die Gesellschafter ihren eigenen Radiosender bzw. Arbeitsplatz geschaffen?
Kleinrahm: Die Gesellschafter haben alle einen eigenen Arbeitsplatz, aber es schließt nicht aus, operativ tätig zu werden, wenn es den Sender mal gibt. Sie haben es gesagt, es gibt zwei, die aus dem Hörfunkjournalismus kommen, Dirk Rosenberg und ich. Auch Lutz Sonntag hat redaktionelle Erfahrung, und da werden einige auch operativ ihre Erfahrung einbringen bei dem Sender. Arbeitsplätze haben alle, Arbeitsplätze geschaffen haben wir uns mit dem Sender nicht.

radioWOCHE: Am Anfang müssen sie – glaube ich – die Kosten geringhalten und gleichzeitig den Sendebetrieb stemmen. Dann ist es ganz praktisch, wenn man selbst Erfahrung hat.
Kleinrahm: Richtig, das heißt die Gesellschafter arbeiten umsonst da, nicht gegen Lohn, und dadurch kann man das günstig halten.

radioWOCHE: Das Landesmediengesetz NRW enthält eine Experimentierklausel. Nach dem §10b dürfen in NRW „Pilotversuche zur Einführung und Weiterentwicklung digitaler terrestrischer Übertragungstechniken“ durchgeführt werden, des Weiteren enthält das LMG im § 30 auch eine Experimentierklausel. Je nach Paragraph ist die Dauer auf neun Monate bzw. drei Jahre beschränkt. Sehen sie darin eine Möglichkeit auf Sendung zu gehen, bevor die LfM NRW und das Land NRW mit dem DAB+-Selbstfindungsprozess fertig sind? Ein Small Scale DAB-Test gab es in NRW meines Wissens nach noch nicht?
Kleinrahm: Das ist eine gute Frage. Genau das haben wir der LfM auch angeboten. Bisher hält sich ihre Begeisterung dafür aber in Grenzen. Sie haben sich nicht geneigt gezeigt, diesen Piloten durchzuführen. Aber sie haben natürlich Recht, gerade was Small-Scale-DAB betrifft, gibt es in Nordrhein-Westfalen keine Erkenntnisse. Das würde sich anbieten, aber die LfM hält sich diesbezüglich noch zurück.

radioWOCHE: Wenn ich Ihnen etwas wünschen dürften, was wäre das? Was wünschen sie sich für das neue Radioprojekt?
Kleinrahm: Natürlich viele Hörer, wer Radio macht, möchte gern gehört werden und natürlich möglichst einen schnellen Start. Wir stehen in den Startlöchern, möchten am liebsten dieses Jahr loslegen, aber realistisch ist das nicht. Wenn sie mir etwas wünschen können, dass wir schnell loslegen können.

Ein kleiner radioWOCHE-Rückblick auf den Versuch in Düsseldorf ein zweites UKW-Lokalradio zu starten:

2011 bildete sich die Veranstaltergemeinschaft (VG) Neues Lokalradio Düsseldorf e. V., die zusammen mit der Betriebsgesellschaft (BG) „City Radio Düsseldorf“ ein zweites UKW-Lokalradio für die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt innerhalb des NRW-Lokalfunkmodells etablieren wollte. Eigentlich sieht das NRW-Lokalradiomodell nur ein Lokalradio pro Verbreitungsgebiet vor, theoretisch ist aber auch ein weiteres Lokalradio an einem Standort nicht ausgeschlossen, es muss allerdings ebenfalls nach dem Zwei-Säulen-Modell – mit einer VG und BG – konstruiert sein. Diese Lücke im Mediengesetz wollten die Neuen Lokalfunker nutzen. In der Folge wurde 2012 der Bedarf für eine UKW-Frequenz in Düsseldorf angemeldet und nach einer solchen gesucht. Wie bei fragdenstaat.de veröffentlichte Dokumente zeigen, wurden von den Behörden die 93,3 MHz (die dann aber für die immer noch nicht sendende landesweite UKW-Kette reserviert wurde), die 91,5 MHz – die zwischenzeitlich als zusätzliche Füllfrequenz durch Antenne Düsseldorf genutzt wird – und die 98,3 MHz als potentielle Frequenzen geprüft.  Ebenfalls in der Diskussion stand zeitweilig die 94,6 MHz. Zu einer Zuweisung einer UKW-Frequenz an das geplante zweite Düsseldorfer Lokalradio ist es bis dato nicht gekommen.

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