ARD radiofeature im Oktober: „Nazi-Netzwerk NSU“ – Die Theorie vom Einzel-Trio gerät ins Wanken

  • Samstag, 25. Oktober 2014
  • Pressemitteilung des WDR

Die Terrortruppe NSU war möglicherweise viel stärker in internationale Neonazi-Netzwerke eingebunden als bisher bekannt. Die Indizien auf nationale und internationale Kontakte und konkrete Hilfestellungen für den NSU mehren sich. Auch zahlreiche Ermittlungen und Zeugen-Befragungen im Rahmen des NSU-Prozesses verweisen mittlerweile auf Vernetzungen des Terror-Trios, beispielsweise zu der in Deutschland verbotenen Neonazi-Organisation „Blood and Honour“. Zu hören ist das ARD radiofeature „Nazinetzwerk NSU“ von Ralf Homann und Thies Marsen (BR) ab kommenden Mittwoch in sieben Wort- und Kulturwellen der ARD; den Auftakt macht am 22. Oktober SWR 2 um 22.05 Uhr. Im Internet steht das Feature unter www.ard-radiofeature.ard.de ebenfalls ab 22. Oktober als Download zur Verfügung.

Vergangene Woche wurde vor dem Münchner Oberlandesgericht beispielsweise offenbar, dass Rechtsterrorist Uwe Böhnhardt schon Mitte der 1990er Jahre Neonazi-CDs eines einschlägigen dänischen Musik-Labels besaß, das zum internationalen Netzwerk „Blood and Honour“ gehörte. Und eine BKA-Beamtin sagte aus, dass die im NSU-Prozess Angeklagten, André E. und Ralph Wohlleben, die „Turner Tagebücher“ auf ihren Festplatten hatten. Die „Turner Tagebücher“, eine Terroranleitung gegen Migranten und politisch Andersdenkende, haben Rechtsterroristen in aller Welt inspiriert – in den USA, in Großbritannien oder Skandinavien und, wie jetzt bekannt geworden ist, offenbar auch in Deutschland.

Zeugen aus der Neonaziszene, die Auskunft über diese Verbindungen geben könnten, zeigen sich im NSU-Prozess wortkarg oder verweigern ganz die Aussage – so aktuell der Zeuge Thomas G. über das internationale Neonazi-Netzwerk Hammerskins oder vergangene Woche der Zeuge Jan W. aus Chemnitz. Jan W. war Ende der 1990er Jahre sächsischer Sektionschef der Organisation „Blood and Honour“, in der Waffen, Sprengstoff und Terroranleitungen kursierten. Laut brandenburgischem Verfassungsschutz hatte Jan W. den Auftrag, Waffen für Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu besorgen.

Die BR-Autoren Ralf Homann und Thies Marsen gehen in ihrem ARD-Radiofeature diesen Spuren nach und fragen: War der „Nationalsozialistische Untergrund“ tatsächlich nur ein Trio, wie in der Anklage behauptet? Oder gehörten mehr Neonazis zur Terrorgruppe? War der NSU gar Teil eines internationalen Netzwerks, in dem seit Jahrzehnten Nazi-Ideologie, Waffen, Sprengstoff und Anleitungen zum Terror kursieren? Sie zeigen Verbindungen auf zwischen dem NSU und seinen Gesinnungsgenossen in England, Südtirol, Ungarn, Österreich und anderen europäischen Staaten.

Das Ergebnis ihrer Recherchen: Neonazi-Gruppierungen in Deutschland und Europa bereiten sich weiter auf den bewaffneten Kampf vor und finanzieren sich dabei durch Raubzüge und Rechtsrock-Geschäfte. Während die Internationale der Nationalisten längst selbstverständlich über Ländergrenzen hinweg operiert, tun sich die Sicherheitsbehörden weiterhin schwer, der Bedrohung von Rechtsaußen adäquat entgegenzutreten, ja überhaupt die internationale Dimension der braunen Netzwerke zur Kenntnis zu nehmen.

Die Autoren:
Ralf Homann, Jahrgang 1962, arbeitet seit 1989 als Autor überwiegend für den Bayerischen Rundfunk. Ralf Homann studierte Rechtswissenschaften und Bildhauerei in München; anschließend Gastaufenthalte in Florenz, Weimar, Stockholm und New York. Er erhielt mehrere Preise u.a. 1992 den International New York Radio Festival Award für sein Feature „Der 20. Juli 1991 in Dresden – ein Report über die junge rechtsradikale Szene in Sachsen und Bayern“.

Thies Marsen, Jahrgang 1970, arbeitet seit 1992 als Journalist. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören die NS-Vergangenheit und die extreme rechte Szene der Gegenwart. Er gehört zum ARD-Reporterpool für den NSU-Prozess in München. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Robert-Geisendörfer-Preis 2002 und dem Wilhelm-von-Pechmann-Preises 2011.

Sendetermine:
SWR 2, Mittwoch, 22. Oktober 2014, 22:05 Uhr
SR 2, Samstag, 25. Oktober 2014, 17:05 Uhr
BR 2, Samstag, 25. Oktober 2014, 13:05 Uhr
Nordwestradio (RB), Sonntag, 26. Oktober 2014, 16:05 Uhr
NDR info, Sonntag, 26. Oktober 2014, 11:05 Uhr
WDR 5, Sonntag, 26. Oktober 2014, 11:05 Uhr
hr2-Kultur, Sonntag, 26. Oktober 2014, 18:05 Uhr

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